Stephen Brown: Die Botschaft des Zauberlehrlings
Stephen Brown nimmt in seinem Buch Harry Potter als Marke unter die Lupe – eine äußerst kunstvolle und hoch wirksame Verknüpfung verschiedenster Storys, ein Spiel um Rätsel, Geheimnis, Enthüllung und Verschleierung: Da gibt es die Autorenstory – die jener mittellosen Frau, die auf einmal reicher wird als die Queen. Da gibt es die Buchstory – mit ihren unzähligen Ankündigungen, wann der neue Band erscheint, und ihren Mega-Partys zum Erscheinen. Und schließlich die Story der Feuilletonisten und Literaturkritiker, die das Buch mit ihrer herablassenden Kritik natürlich umso begehrenswerter machen.
„Harry Potter ist das personifizierte Marketing.“ Der erste Harry-Potter-Band erschien 1997 – und was seither geschah, sprudelt der Autor in unverkennbarer Begeisterung für das Harry-Potter-Universum hervor.
Und dieses Universum ist ein Marketing-Universum. Von der überreichen Produkt- und Markenwelt in den Harry-Potter-Romanen über die PR- und Marketingstrategien der Autorin über die Filme und das Merchandising liefert Stephen Brown Einblicke, Facts & Figures und Interpretationen.
Die These: Selbst das Marketing wird hier vermarktet. Die Meldungen über Vorbestellungszahlen, Auflagenhöhen, Honorarerlöse, Lizenzverträge und Logistikleistungen am Auslieferungstag liefern der Nachfragespirale ständig Energie zu und heizen Diskussionen und Polarisierungen nur noch mehr an. Gesteuert oder nicht, spielt gar keine Rolle, Tatsache ist, es funktioniert.
Warum es funktioniert, beschreibt der Autor in den zentralen Kapiteln des Buches: „Die Konsumenten“ und „Die Marke“:
„Wenn Geschichten das Rüstzeug für das Leben sind, dann sind Harry-Potter-Konsumenten bestens ausgerüstet und genießen ihr Leben in vollen Zügen. Wie tief die Leute in die Zauberwelt eintauchen, lässt sich vielleicht am deutlichsten an der Fanfiction erkennen. Dabei handelt es sich um vollständige HP-Romane, verfasst von Fans unter Verwendung von Rowlings Figuren, die auf speziellen Websites veröffentlicht werden. Laut fanfiction.net, dem wichtigsten Forum für diese Art Texte, liegen derzeit geschätzte 64.000 Ergänzungen zum Harry-Potter-Korpus vor.“
Dass sich Warner Brothers auf der Copyright-Front hier schwer tat und inzwischen auf Konsenskurs einschwenkte, ist nur ein Merkmal dieser Fankultur. (Das Cluetrain Manifest lässt recht herzlich grüßen: Märkte sind Gespräche und so weiter.)
Harry Potter als Marke verkörpert etwas, das besondere Marken besonders auszeichnet: Ambiguität. In diesem Fall: die Spannung zwischen den Polen Magie und Alltäglichkeit.
„Ganz offenkundig werden die alten Prinzipien des Markenbrandings, in der eine individuelle Marke für eine und nur eine Sache steht, durch die Einsicht ersetzt, dass das Branding ein mehrdeutiges Geschäft ist. Mehrdeutigkeit lässt sich allerdings nicht so einfach verkaufen. ‚Ambi-Brand‘ zählt nicht zu der Art von Neologismus, die dazu angetan ist, die weltweiten Vorstandsetagen im Sturm zu nehmen.“ Also nennt Stephen Brown diese Marken „Regenbogen-Marken„:
„Sie lassen uns innehalten. In einer Welt der adjektivischen Inflation, in der großartig normal bedeutet, exzellent gut ist und fantastisch von Mittelmäßigkeit zeugt, erinnern uns Regenbögen an die wirkliche Bedeutung der Adjektive, daran, was wahre Größe ist. Gucci. Rolex. Lamborghini. Die Simpsons. Harry Potters Feuerblitz.“
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