Google auf dem Weg zur Börse … eine Bestandsaufnahme
Erinnern Sie sich noch? Google war mal ein Underdog, eine junge, aufstrebende Suchmaschine. Und mit innovativen Ideen schafften es die Macher, das ursprünglich als Uni-Projekt gestartete Unternehmen auch wirtschaftlich erfolgreich zu machen. Doch die Suchmaschine ist längst nicht mehr das eigentliche Kerngeschäft…
Geld verdienen mit Suchmaschinen
In den vergangenen Jahren hat man immer neue Tätigkeitsfelder gefunden. Ursprünglich getragen von der Frage, wie man mit einer Suchmaschine, die ja kostenlos zu nutzen ist, trotzdem Geld machen kann. Während mancher Konkurrent darauf setzte, nur noch eine gebührenpflichtige Aufnahme in den Datenbank der Suchmaschine anzubieten, blieb Google immer kostenlos.
Die Sache mit der Werbung
Und während andere bezahlte Platzierungen und Suchresultate kräftig miteinander vermischten – und dafür von den Nutzern abgestraft wurden – besann man sich bei Google auf Werbeeinblendungen rund um die eigentlichen Suchergebnisse. Das machten andere zwar auch, doch während bei denen die Suchergebnisse immer weiter in den Hintergrund traten und man von blinkenden Bannern und zahllosen Sponsorenlinks ständig abgelenkt wurde, setzte Google darauf, dezente Werbung einzublenden. Und so gibt es bei Google auch heute noch nur Textanzeigen. Die aber sind so erfolgreich, dass die Idee vielfach übernommen wurde.
Am Anfang standen die Innovationen
Doch all das hätte Google nicht zur beliebtesten Suchmaschine gemacht. Und auch noch keinen wirtschaftlichen Erfolg bedeutet. Hinzu kam vor allem, dass die Suchmaschine so einfach zu bedienen ist, ein (damals) innovatives Verfahren nutzt, um die „relevantesten“ Suchergebnisse an den Anfang der Ergebnisausgabe zu schaufeln und eine riesige Datenbank im Hintergrund steht. Auch war Google Vorreiter hinsichtlich der einfachen Suchanfragen-Formulierung. Während Altavista und Co. eine Anfrage bayern münchen interpretierten als Suche nach allen Seiten, auf denen entweder der Begriff bayern oder der Begriff münchen vorkommt, interpretierte Google die gleiche Anfrage längst als eine Suche nach Seiten, auf denen sowohl bayern als auch münchen vorkommen.
Strategiewechsel: AdWords
Doch dann kam der Strategiewechsel. Zunächst öffnete man die Schaltung von Textanzeigen für jedermann und setzte dabei auf ein innovatives Abrechnungsverfahren: Nicht die Anzeige der Werbung wird bezahlt, sondern erst der tatsächliche Klick darauf. Also nicht „Cost-per-View“, sondern „Cost-per-Click“… So wurde Online-Advertising auch ohne Agentureinschaltung, ohne großes Budget und ohne langfristige Bindung und hohe Produktionskosten für die Anzeigen möglich. Und Google wurde immer mehr zum Werbevermarkter… Mittlerweile sollen weit über 150.000 Werbepartner die AdWords nutzen – so viele Kunden hat wohl kein anderer Werbevermarkter.
Auch dabei hatte man einige spannende Ideen: Zwar zahlt man nur für „erfolgreiche“ AdWords, aber Werbung, die zu wenig Aufmerksamkeit bekommt, wird nach und nach verbannt. Zudem werden die Anzeigen nicht wahllos geschaltet, sondern der Kunde gibt vor, bei welchen Suchbegriffen oder Begriffskombinationen er die Anzeige wünscht – Keyword-Advertising eben.
Nun sind aber bestimmte Begriffe beliebter als andere und der Platz für die Werbebotschaften ist begrenzt. Also lasse man die Kunden selbst entscheiden, wie wichtig ihnen die Werbung und eine gute Platzierung ist: Im Grunde werden die Werbeplätze daher versteigert – auch wenn das nicht so offensichtlich ist. Aber jeder Kunde legt fest, wie viel ihm eine solche Werbeschaltung wert ist. Und wer am meisten bietet, der hat die besten Chancen auf eine gute Platzierung.
Platz da!
Doch wer ein guter Werbevermarkter sein will, der muss auch attraktive Werbepätze haben, auf denen diese Textanzeigen dann erscheinen können. Nachdem Google zunächst nur auf den eigenen Seiten diese Werbeanzeigen platzierte, begab man sich bald vermehrt auf die Suche nach neuen Werbeplätzen. Zunächst über Kooperationen, später durch die Übernahme von Blogger.com und die Werbeplätze auf den kostenlosen, z.B. bei Blogspot gehosteten Weblogs. Und dann durch die immer weitere Ausdehnung eines mit AdWords korrespondierenden Programms für Website-Betreiber.
Mittlerweile kann sich fast jeder beim AdSense-Programm anmelden, der auf seinen Webseiten Google-Werbung zulassen und damit ggf. ein wenig Geld verdienen möchte. Die Anforderungen an den Webspace wurden kontinuierlich gesenkt und so das Kontingent an verfügbaren Werbeflächen immer weiter ausgedehnt.
Inhaltsanalyse für den guten Zweck?
Damit nun aber nicht zufällig irgendwelche Werbung eingeblendet wird, hat sich Google immer stärker im Bereich der content-bezogenen Werbung engagiert. Dabei wird der Inhalt der Webseite analysiert und auf der Basis dieser Analyse (hoffentlich) passende Anzeigen ausgewählt. Mit diesem Konzept agieren mittlerweile auch andere Werbevermarkter, die Ergebnisse sind mal besser, mal schlechter. Für Google ist das alles jedenfalls ein riesiges Geschäft, während andere Projekte wie Google Answers im Vergleich dazu eher wie ein Hobby wirken.
Datenkrake Google?
Zugleich werden immer wieder Bedenken geäußert, Google würde zum gigantischen Big Brother. Suchanfragen werden demnach gespeichert und ausgewertet, es könnten User-Profile entstehen, und durch die Verzahnung mit der Werbewirtschaft könnte gar demnächst Werbung den User gezielt auf seinen Wegen durchs Web verfolgen. Selbst die verschiedenen Geheimdienste der USA könnten an den Google-Datenbeständen interessiert sein, so die Kritiker.
Fragt sich, ob solche Datenmengen wirklich handhabbar wären, ob sie sich überhaupt auf einzelne Nutzer herunterbrechen lassen und was es denn bedeutet, dass von dem Rechner, auf dem ich das hier schreibe, zuletzt nach „procurement“, „gabler wirtschaftslexikon“, „vincent klink“ und „penguin animated gif“ gesucht wurde? Welche Profileigenschaften wird man mir wohl zuordnen? Nein, da sehe ich wenig Gefahr. Interessanter ist da schon, was Google sonst so treibt.
Ständig neue Dienste…
Dass ständig neue Dienste rund um die eigentliche Suchmaschine entwickelt werden, täuscht ein wenig darüber hinweg, dass dieses Segment mit Problemen kämpft. Zwar ist die Online-Shopping-Suchmaschine Froogle (nur für den amerikanischen Markt) recht erfolgreich, und Google News ist eine wirklich spannende Spezialsuche – aber dafür werden die Ergebnisse in der eigentlichen Suchmaschine immer häufiger von völlig irrelevanten Seiten angeführt.
…dafür zunehmend Enttäuschung bei der Suche
So findet man bei der Suche nach Rezepten häufig vor allem Dialer-Seiten und ähnliche zwielichtige Webseiten, die mit Rezepten gleich welcher Art nichts zu tun haben. Und gibt man Markennamen oder Produktbezeichnungen ein, dann landet man mit einiger Sicherheit bei Weiterleitungen auf Amazon-Partnershops, eBay-Listings, Preisvergleichern oder Meinungsportalen. Und die bieten dann oft genug sogar noch den lapidaren Hinweis: „Zu xyz wurden keine passenden Angebote gefunden!“. Arghhh…
Problemfall Page Rank
Dieses Problem ist Google durchaus bekannt, aber es ist nicht so einfach lösbar. Und es stellt sich auch die Frage, ob man es in allen Fällen überhaupt lösen will. Das Problem ist der Page Rank, der wesentlichen Einfluss auf die Reihenfolge der Ergebnisse hat, der aber nicht (nur) von der Website selbst, sondern von externen Links auf diese Seite bestimmt wird. Mancher Google-Spammer hat das längst ausgenutzt und ganze Serverfarmen aufgebaut, bei denen Links zu Webseiten gebucht werden können, die im Ranking gepusht werden sollen.
Selbst „seriöse“ Suchmaschinen-Optimierer bieten an, Links auf Seiten zu mieten, die einen hohen Page Rank haben. Je mehr externe Links und je höher der Page Rank der verweisenden Seiten, um so höher auch der Page Rank der so gepushten Seite. Damit wird der Page Rank als innovatives Verfahren zur Berechnung der Popularität eines Angebots unbrauchbar. Sogar bei eBay kann man sich entsprechende „förderliche“ Links ersteigern.
Und auch ein anderes Google-Prinzip stößt an seine Grenzen: Die Content-Analyse funktioniert im Grunde auf der Basis einer Webseite als monothematischem Angebot. Immer mehr Webseiten sind jedoch magazinartig aufgebaut und alles andere als monothematisch.
Partnerschaften
Ein weiteres Standbein von Google sind Partnerschaften mit anderen Suchmaschinen und namhaften Anbietern, für die man Suchresultate liefert. Aber mittlerweile eben nicht mehr nur Suchresultate, sondern auch content-bezogene Werbung. Wobei das ja schon ein wenig merkwürdig ist: Die einen zahlen, damit sie was von Google bekommen, den anderen muss man etwas zahlen, damit man ihnen was liefern darf. Und immer sollen das Gelieferte möglichst relevant sein!
Doch diese Partnerschaften beginnen zu bröckeln. Immer häufiger sind die Partner nicht mehr mit den gelieferten Ergebnissen oder den Konditionen einverstanden, und mancher munkelt gar, Google würde entgegen der Unternehmensphilosophie Werbung und Suchmaschineneinträge miteinander vermischen.
Zwickmühle zwischen Suchen und Werben
Selbst wenn das nicht der Wahrheit entsprechen sollte: Google steckt hier in einer Zwickmühle. Die Aufgabe der Suchmaschine ist es, ein möglichst neutrales Abbild der Online-Welt zu bieten. Die alte Ergebnisreihung von Altavista und Co. basierte rein auf dem Inhalt und der Struktur der Seite: Wie oft kommt der Suchbegriff vor, an welchen Stellen, wann wurde die Seite aktualisiert, … Google hat aber extern Faktoren für die Popularität einer Seite herangezogen. Und hier geht mittlerweile Neutralität verloren, weil die Rahmenbedingungen immer häufiger manipuliert werden.
Qualitätskontrolle?
Und wenn dem schon so ist, dann muss zumindest eine entsprechende Qualitätskontrolle erfolgen – aber Google kann das schon aufgrund seiner Größe auch leisten. Allein eine Änderung der (im Detail geheimen) Bewertungsverfahren sorgte bereits für enormes Rumoren in den entsprechenden Kreisen. Und natürlich kann man auch die Werbepartner nicht vor den Kopf stoßen – denen ist die Neutralität erst einmal wurscht … solange die Nutzer Google nicht in Scharen den Rücken kehren.
Eine Idee, die man manchmal dazu hört: Vielleicht könnte man ja die Nutzer die Relevanz der Suchergebnisse bewerten lassen, so wie es in einigen Weblogs möglich ist, für oder gegen Beiträge zu voten. Aber seien wir ehrlich: Wer würde sich schon die Mühe machen – und das im Nachhinein?
Der Pyra-Deal
Und sonst? Der gedankliche Sprung zu den Weblogs führt uns dazu, dass Google vor fast einem Jahr Pyra übernahm. Viel Staub wirbelte der Deal damals auf. Sichtbare Resultate gab es aber nur für die Werbevermarktung: mehr Werbeflächen im eigenen Haus, und niemand kann sich dagegen wehren. Sonst ist auch 11 Monate danach nicht wirklich ein aus dem Deal erwachsender Trend zu erkennen: Google behandelt Weblogs nicht besser oder schlechter als zuvor, Blogger.com hat keine wesentlichen neuen Dienste bekommen, die die von manchen erwartete gezielte Suche und Auswertung von Blogs und ihren Themen sucht man auch vergebens. Trotzdem keine schlechte Investition.
Börsengang: IPO im April?
Nun will Google an die Börse. Und das zu einem Zeitpunkt bei dem das IPO eines Internet-Unternehmens eh eine Seltenheit ist – erst recht eines Unternehmens dieser Größe. Geschickt lanciert man immer wieder neue Häppchen darüber, was geplant ist oder geplant sein könnte.
Einige Meldungen der letzten Wochen und Monate:
- Google entwickelt eine eigene Suchmaschine für Buchinhalte, heißt es da, und will Amazon und Barnes & Noble damit Konkurrenz machen, anstatt ihnen immer nur Kunden zuzuführen.
- Google News Alertsucht regelmäßig nach den gleichen Begriffen für den User und berichtet per E-Mail über neue Resultate. Ganz nett, um Themen oder die Konkurrenz im Auge zu behalten.
- Oder: Google wird zum E-Mail-Provider und will alle Mails mit content-bezogener Werbung ergänzen. Wäre ein netter Versuch – die Kontext-Analyse hat man, die Werbeanzeigen auch. Aber wer will so einen Dienst nutzen? Werbung in der Mailbox ist doch eh schon zum Zivilisationsproblem geworden. Und die Werbeplätze auf Teufel-komm-raus ausdehnen…? Und bei den Webmailern liefert Google ja durchaus schon Werbung an GMX und andere. Das ließe sich ja vielleicht ausbauen … man denke nur an content-bezogene Werbung, die Google für professionelle Newsletter-Versender liefern könnte.
- Natürlich kooperiert man auch mit weiteren Werbepartnern – gerade wurde ein Deal mit dem europäischen Preisvergleicher Kelkoo bekannt gegeben. Kelkoo ist übrigens schon der drittgrößte europäische Internet-Anbieter nach Amazon und eBay. Ein Schelm, wer da das Gefühl bekommt, es müsse Interessenskonflikte geben, wenn Google doch mit Froogle selbst eine Shopping-Suchmaschine im Angebot hat, die angeblich auf Europa ausgeweitet werden soll.
- Und neulich hat man das erste Forschungs- und Entwicklungszentrum außerhalb der USA angekündigt. In Indien … das weckt doch Expansionsideen.
- Und die Suche nach neuen Werbeflächen wird manchmal schon fast kurios.
Missionsziel: Potenzielle Anleger erfreuen!
All das freut wohl vor allem die potenziellen Anleger – und da überliest man dann auch gerne mal die kritischen Stimmen, die sich häufen. Und die Meldungen, dass die AdWords juristisch auf dem Prüfstand sind, dass Microsoft und Yahoo an ernsthafter Konkurrenz zu Google basteln, dass Partner wie Web.de oder Yahoo Verträge mit Google auslaufen lassen. Die Liste ließe sich fortsetzen…
Wir wollen hier keine Empfehlungen geben, ob Google ein gutes Investment wäre und was in der Zukunft liegt. Das alles weiß man vermutlich bei Google selbst nicht so genau. Interessant aber ist, dass die Öffentlichkeitsarbeit von Google, die es eigentlich gar nicht gibt, es immer wieder schafft, das Unternehmen in die Schlagzeilen zu bringen. Dabei werden die Probleme gerne verschwiegen – und viele Visionen geschürt.