Von digitalen Inhalten, virtuellen Assistenten und Online-Payment
Innovationen braucht die Welt. Zumindest werden diese händeringend gesucht, will man die Wirtschaft ankurbeln und neue Arbeitsplätze schaffen. Immer wieder wird dabei das Internet ins Spiel gebracht – und in den USA entstehen sogar schon die ersten Interessenverbände von Personal Digital Assistants. Nicht, dass sich jetzt die Handhelds der Welt zusammenschließen: gemeint ist eine neue Form der Dienstleister, die Informationen und Services online bereit stellen. Gegen Bezahlung natürlich… Allerdings: Diese Dienstleister haben mit einer Menge Probleme zu kämpfen. Da ist erst einmal das Vertrauensproblem: Wer vertraut schon einem neuen Dienstleister, der nur virtuell präsent ist? Und dann geht es auch noch um die Wahrnehmung des Wertes für das Angebot: Gibt es Ähnliches vielleicht irgendwo anders gratis? Ist es wirklich das wert, was ich dafür zahlen soll?
Nun könnte man sagen: Je billiger, desto besser! Schließlich ist die Hemmschwelle für Zahlungen geringer, wenn ich nicht gleich so viel Geld auf einmal ausgeben muss. Und so eröffnen sich auch viel mehr Perspektiven für „kleine“ Serviceangebote. Spezialisierte Dienste, bei denen die einzelne Information so günstig abgegeben wird, dass sich die eigene Recherche woanders gar nicht lohnt. Ein Blick in andere Bereiche zeigt, dass es dort funktioniert: Telefonauskunft und andere Mehrwertdienste, Info-Dienste per Faxabruf, Klingeltöne per SMS und anderes mehr boomt. Natürlich kann man sich fragen, wer denn so etwas überhaupt braucht – aber solange jemand bereit ist, dafür zu zahlen, gibt es auch einen Markt.
Doch bei den Online-Diensten steht – anders als bei den oben genannten Services – ein gravierendes Problem zwischen Idee und Umsetzung: Es gibt kein geeignetes Zahlungssystem. Die genannten Dienste werden einfach mit der Telefonrechnung bezahlt. Keine umständliche Anmeldung bei einem zusätzlichen System, keine umständliche Registrierung und Identifizierung. Und eine riesige Zahl potentieller Kunden, die extrem einfach diese Dienste in Anspruch nehmen können. So einfach gar, dass mancher gar nicht mitbekommt, was mancher Klingelton wirklich kostet.
Im Internet allerdings gibt es all das nicht. Das einzige System, das breitere Akzeptanz genießt, ist die Kreditkarte. Aber auch dort bestehen große Vorbehalte, wem man seine Kreditkartendaten geben sollte. Und zudem eignet sich die Kreditkartenzahlung nicht für Kleinstbeträge. Zwar merkt hier der Nutzer wenig davon, aber der Anbieter muss so hohe Transaktionskosten zahlen, dass es sich für ihn nicht rechnet. Und alle anderen Zahlungssystem haben eine so kleine Nutzerbasis, dass man sich als Anbieter fragen muss, ob es den Aufwand überhaupt lohnt, diese Systeme zu unterstützen. Selbst die Branchenprimusse wie Firstgate oder PayPal sind nur mäßig interessant.
Hier liegt denn auch eines der zentralen Probleme für Online-Dienstleister. Je kliner die Beträge, desto größer das Problem, ein geeigntes Zahlungssystem zu finden, das dann auch noch eine entsprechende Akzeptanz hat. Die Gebühren für die Abrechnung über Kreditkarte oder Lastschrift sind derart hoch, dass sie oft den eigentlichen Preis des Produktes oder der Serviceleistung übersteigen. Dies macht den Verkauf von digitalen Inhalten für wenige Cent nahezu unmöglich, was wiederum die Auswahl der über das Web verkaufbaren Güter und Serviceleistungen einschränkt und Innovationen behindert.
Zwar gab es schon eine Reihe so genannter Micro-Payment-Systeme, die diese Nachteile beheben sollten – bisher hat sich jedoch noch keines davon durchsetzen können. Dabei gibt es mehrere Ursachen für die bisherigen Misserfolge:
1. Mangelnde Anonymität und fehlende Bequemlichkeit
Bargeld ist anonym. Und bequem: es kann jederzeit verwendet werden. Von einem entsprechenden Zahlungssystem für Kleinstbeträge im Internet erwarten die Nutzer ähnliches. Wer sich erst umständlich identifizieren muss, wenn eine Zahlung ansteht, der denkt zweimal nach. Spontankäufe sind dann kaum mehr drin – anders, als kurz mal 0190-xxxxxxxx zu wählen!
2. Sicherheit
So einfach der Zahlungsvorgang auch sein soll: Natürlich soll das Geld nicht einfach so auf der Festplatte „rumliegen“. Die Anwender erwarten, dass nur sie ihr Guthaben ausgeben können. Und nicht die Kids, die mal den den Computer dürfen, oder gar irgendwelche bösen Hacker. Zugleich aber erwarten auch die Anbieter, dass sie wirklich zuverlässig ihr Geld bekommen. Schließlich wird die Information sofort nach Abschluß der Zahlungstransaktion auf elektronischem Wege freigeschaltet. Das System muss also sicherstellen, dass einerseits die Transaktionen in sehr kurzer Zeit durchgeführt werden können, aber auch, dass sie fälschungssicher und nachprüfbar ablaufen.
3. Kosten für Kunden und Anbieter
Bargeld „kostet“ nichts, zumindest für den Kunden – einmal abgesehen von eventuell entgangenen Zinsgewinnen. Für Händler ist Bargeld zwar umständlich, weil es gezählt, sortiert und irgendwie zur Bank gebracht werden muss – aber die Kosten sind ebenfalls recht gering. Bei Kreditkarten sieht das schon anders aus: Da fallen Jahres- und Transaktionsgebühren an, mal auf der einen, mal auf der anderen Seite. Aber für ein neues, umbekanntes System Geld ausgeben? Eventuell einen größeren Betrag auf ein Schattenkonto einzahlen müssen, um davon Kleinstbeträge „überweisen“ zu können? Die potentiellen Kunden winken da rasch ab. Und auch die Online-Anbieter sind sehr vorsichtig – denn für sie geht es um weit mehr: Systeme müssen angepasst werden, in der Regel werden neben Setup-Kosten auch Grundgebühren und ggf. Transaktionsgebühren fällig. Zudem ist man – rechtlich wie technisch – dann erst einmal an das System „gebunden“.
4. Hoher technischer Aufwand
Sollen die Transaktionen nicht nur (fälschungs-)sicher durchgeführt werden, sondern auch noch blitzschnell, selbst dann, wenn Millionen Transaktionen pro Sekunde zu bewältigen sind, dann muss dafür ein enormer technischer Aufwand betrieben werden. Bei der Abrechnung über die Telefonrechnung ist das insofern einfach, weil durch das Telefonnetz eindeutig der Transaktionspartner festgelegt ist. Die Transaktion muss daher auch nicht wirklich in Echtzeit durchgeführt werden, sie wird nur erfasst. Aber genau das gibt es in der Online-Welt nicht: Die eindeutige Zuordnung ist nur innerhalb bestimmter Providernetze gegeben, die meisten davon haben sich aber mit diesem Problem und ihrer möglichen Rolle dabei noch nicht beschäftigt (von T-Online einmal abgesehen). Will man ein providerunabhängiges System, dann kommt man um eine Identifizierung und die Abwicklung der gesamten Transaktion in Echtzeit nicht herum. Das aber kostet wiederum viel Geld, das sich die Anbieter der Zahlungssysteme natürlich zurückholen wollen.
Tja, und so dümpeln viele interessante Geschäftsideen vor sich hin, weil die benötigten Zahlungssysteme fehlen. Und selbst, wenn die Anbieter sich für Abolösungen entscheiden, anstatt jede einzelne Transaktion zu berechnen (womit sie viele potentielle Kunden eh schon abschrecken, die sich nicht langfristig binden wollen), dann stellen sie rasch fest, dass es immer schwieriger wird, einen geeigneten Payment-Provider für das Kreditkarten-Handling zu finden. Viele sind entweder von den Kostenstrukturen völlig uninteressant oder stellen an neue, unbekannte Online-Anbieter so hohe Anforderungen, dass diese kaum eine Chance haben, als Partner angenommen zu werden. Gründe hierfür bestehen auch im immer weiter zunehmenden Mißbrauch bei Kreditkartenzahlungen im Internet, der dazu führt, dass das Risiko von den Kreditkartenunternehmen und Payment-Providern immer stärker auf die Händler und Online-Anbieter verlagert wird.
Neue Zahlungsformen, gerade im Micropayment-Bereich, werden also händeringend gesucht. Aber die Hoffnungen sind gering, dass sich die Situation rasch ändern wird. Und damit fehlt die Basis für neue Serviceangebote im Internet – und auch dafür, dass bestehende Angebote, wie z.B. Musik-Downloads oder Online-Archive von Zeitschriften, deutlich preisgünstiger werden können. Hohe Preise aber schrecken wiederum viele potenzielle Nutzer ab – ein Teufelskreis…