Supply Chain Management: The Next Generation?
Der partnerschaftliche Austausch von Informationen in der Lieferkette: CPFR weist einen Weg, der Hard Facts und Soft Skills verbindet. Zum Nutzen von Lieferanten, der Beschaffung – und letztlich der Endverbraucher. Die Globalisierung, der zunehmende Konkurrenzdruck und immer kürzer werdende Produktionszyklen bringen die Logistik und Lagerhaltung ebenso unter Druck, wie sie von Produzenten und Abnehmern immer schnellere Entscheidungen fordern. Dazu kommt die Digitalisierung, die die Positionen, Beziehungen, Informationsflüsse und die Kommunikation in der Beschaffungskette verändert hat. Die Analyse und die Optimierung von Geschäftsprozessen entlang der Lieferkette ist daher zu einem wichtigen Steuerungs- und Planungsinstrument in der Beschaffung geworden.
Collaborative Planning, Forecasting and Replenishement, kurz CPFR, ist eine Methode bzw. ein Methoden-Bündel, das den partnerschaftlichen Ansatz in das Supply Chain Management bringt.
Kooperative Planung, Prognose und Bestandsmanagement ist die Weiterentwicklung von ECR, Efficient Customer Response. Es integriert Elemente des Customer Relationship Managements auf der einen Seite mit Anforderungen, die innerhalb der komplexen Beziehung Lieferanten-Beschaffung-Produktion und nicht zuletzt Handel-Endverbraucher entstehen. Im Zentrum steht der Austausch über Geschäftsprozessdaten und die gemeinsame Optimierung von Abläufen innerhalb der Lieferkette.
Mit den neuen technischen Möglichkeiten (Internet, B2B-Marktplätze) lassen sich diese Prozesse besser steuern und optimieren. Prognosen können nun gemeinsam erarbeitet und in den Planungsprozess eingebracht werden. Der Austausch von Informationen und das flexible, partnerschaftliche Handeln soll so den Erfolg von Anbietern und Abnehmern positiv beeinflussen – und so auch dem Endverbraucher durch bessere Verfügbarkeit nützen.
Als Geburtsstunde des CPFR gilt der Start eines Pilotprojekts von Wal-Mart und Warner-Lambert im Jahr 1995. Das Ziel des Projekts: die verbesserte Absatzplanung und Bestandsführung der Mundpflegemarke Listerine.
Das Ergebnis in Kurzform: Durch Verbesserungen entlang der Supply Chain konnte der Umsatz mit dieser Marke bei Wal-Mart um 8,5 Mio. US-Dollar gesteigert werden. Die Maßnahmen: Austausch von Abverkaufsprognosen und Point-of-Sale-Daten sowie weitreichendes Info-Partnering – und nicht zuletzt die Schaffung von Vertrauen innerhalb der Wertschöpfungskette.
CPFR wird zur Zeit vorwiegend in der Zusammenarbeit von Handel und Konsumgüterindustrie eingesetzt; die Erkenntnisse fließen aber auch schon die vorgelagerten Prozesse wie Produktionsplanung sowie Beschaffung von Rohstoffen und Verpackungsmaterial ein.
Im Fall des erwähnten Pilotprojekts von Wal-Mart wirkten die Prozess-Optimierungen zurück bis zum Hersteller der Listerine-Produkte, der seine Produktion samt Rohstoff-Beschaffung nun ebenfalls besser steuern konnte.
1. Entwicklung einer Rahmenvereinbarung für die Kooperation
2. Entwicklung eines gemeinsamen Geschäftsplans
3. Entwicklung einer Abverkaufsprognose
4. Erkennen von kritischen Abweichungen in der Abverkaufsprognose
5. Bearbeitung der kritischen Abweichungen und Aktualisierung der Abverkaufsprognose
6. Entwicklung einer Bestellprognose
7. Erkennen von kritischen Abweichungen in der Bestellprognose
8. Bearbeitung der kritischen Abweichungen und Aktualisierung der Bestellprognose
9. Auftragsgenerierung
Besonderer Wert wird im CPFR auf die detaillierten Rahmenvereinbarungen für die Kooperation (Modul 1) gelegt. Die einzelnen Maßnahmen reichen hier von Formulierung eines Mission Statements über die gemeinsame Definition von Zielen, der Verteilung von Aufgaben und regelmäßigen Evaluierungen bis hin zu Festlegung von Maßnahmen für den Konfliktfall. Der Aufwand für dieses Modul ist also recht hoch anzusetzen, es birgt aber sehr viel Potenzial für die Bildung von Vertrauen und für das Verständnis unterschiedlicher Mentalitäten.
Bei allen Vorteilen, die CPFR bringt, werden von den Experten unter anderem folgende Kritikpunkte diskutiert:
Die Installierung von CPFR bedarf hoher Investionen in Informations- und Kommunikationstechnologie, die vor allem von KMU nicht einfach zu leisten sind.
Qualifiziertes Personal wird langfristig gebunden, und dieses braucht sehr spezialisiertes Know-how.
Nicht alle Module sind ganz einfach umzusetzen, vor allem dort, wo es nicht nur um Fakten und Zahlen, sondern auch um Soft Skills geht. Mentalitäten, Macht- und Vertrauensfragen werden hier manche Entwicklungen beinflussen, entsprechende Coaching-Maßnahmen sollten also diese komplexen Projekte begleiten.
Der Nutzen von CPFR ist allerdings groß, wie die Fallstudien bereits laufender Projekte zeigen:
– Die Reaktion auf das Nachfrageverhalten wird deutlich beschleunigt.
– Verkaufsprognosen können genauer gestellt werden.
– Die Kommunikation erfolgt direkter, die Kanäle sind dauerhafter.
– Umsätze werden gesteigert.
– Bestände werden reduziert.
– Kosten entlang der Suppy Chain werden gesenkt.
– Bestellrhythmen von Hersteller und Händler werden synchronisiert.
– Die Wertschöpfung wird optimiert.
B2B-Marktplätze im Internet stellen wichtige Katalysatoren für den Einsatz von CPFR dar. Entsprechende Dienstleistungen werden, so die Experten, langfristig von diesen Plattformen angeboten werden. Bis dahin ist jedoch noch viel zu tun, denn vielfach sind proprietäre Systeme im Einsatz, Datenbestände sind unvollständig und nicht kompatibel.
CPFR erfordert jedoch neben einer optimalen technischen Infrastruktur Fähigkeiten in Sachen Kommunikation, Teambildung und Projektmanagement, und so kann es gar nicht zu früh sein, über diese Vernetzung nachzudenken und die Mitarbeiter in Richtung dieser neuen Ansätze weiterzubilden.
Einen sehr guten Einstieg und einen Überblick über erste Projekte und die daraus gewonnenen Erkenntnisse bietet:
Dirk Seifert:
Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment.
Ein neues Konzept für state-of-the-art Suppy Chain Management
Galileo Press, Bonn 2002, 444 Seiten, ca. EUR 59,90.
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