Anne Koark: Insolvent und trotzdem erfolgreich
„Mein Name ist Anne Koark und ich bin insolvent.“ Die ehemals erfolgreiche Unternehmerin beschreibt in ihrem Buch die Zeit von Februar 2003 bis 18. Juli 2003, dem Tag, an dem das Buchprojekt mit dem Verlag fixiert wurde.
Am 30. Juni 2003 gingen die Rollläden bei „Trust in Business“ runter, einem Unternehmen, das mit einer Palette von Dienstleistungen für internationale Firmen, die Niederlassungen in Deutschland gründeten, mehrere Jahre sehr erfolgreich gearbeitet hatte. Dann kam der September 2001 und die darauf folgende Rezession, der Rückzug von US-Firmen aus Deutschland und der generelle Niedergang der gehypten New-Economy. „Trust in Business“ verlor zu viele Kunden und kam wirtschaftlich ins Trudeln.
Das Buch setzt im Februar 2003 ein, als sich die Unternehmerin schon seit Monaten selbst kein Gehalt mehr gezahlt hatte. Zweite und dritte Mahnungen sind an der Tagesordnung, der Vermieter hat seit Monaten kein Geld gesehen. Die Anzahl der Mitarbeiterinnen wurde längst reduziert, die Aufrechterhaltung der Dienstleistungen für die noch verbliebenen Office-Kunden wird immer schwerer.
Anne Koark versucht mit unverbesserlichem Optimismus zu retten, was noch zu retten ist. Allerdings ist das schwer, wenn keinerlei finanzielle Mittel mehr vorhanden sind. Und so muss sie spätestens nach dem – leider nicht näher von der Autorin begründeten – Rückzug potenzieller Investoren die Tatsache der Insolvenz akzeptieren.
Das Buch ist in Anlehnung an die Tagebuchform verfasst, es ist aber kein Tagebuch. Das sollte man beim Lesen immer im Auge behalten. Es sind keine Momentaufnahmen, es ist eher ein Gedächtnisprotokoll, durchsetzt mit Sinnsprüchen und Zitaten. Es ist die persönliche Geschichte einer Frau, die mit enormer PR-Power ihr Unternehmen in die Medien gepusht hat, per E-Mail bevorzugt:
„Es ist allgemein bekannt, dass ich viel schreibe, und manche Leute ersticken in meinen vielen Emails. Das musste ich lernen, denn meine PR-Bemühungen für Trust in Business basierten auf 120 E-Mails, die ich pro Tag weltweit an Presse, Journalisten und große Firmen verschickte, und da lernt man das schnelle Schreiben – ich kann zumindest genauso schnell lesen. Immer wieder wundert es mich, dass die Leute nicht nachkommen. Ich weiß schon – ich bin ein wenig emailsüchtig. Ich sitze stundenlang vor den Emails und überlege mir alles Mögliche. Irgendwie habe ich das Gefühl, mit der ganzen Welt vernetzt zu sein.“
Kein Zweifel, die Medien haben ihre druckreifen Storys und Kolumnen gerne genommen, darin ist Anne Koark wirklich erfolgreich. Sie ist authentisch und spricht mit engagierter menschlicher Stimme.
Die unternehmerischen Qualitäten von Anne Koark lassen sich anhand des Buches nicht beurteilen, die Mechanismen des Zusammenbruchs werden für meine Begriffe zu wenig konkret anhand von Fakten dargestellt. Für eine solche Analyse mag es aber auch aus verschiedenen Gründen einfach noch zu früh sein. Diese zu bewerkstelligen, wird wohl auch der Unterstützung durch Experten bedürfen. Interessant wäre es allemal, die Geschichte von „Trust in Business“ auch von der Seite der hard facts zu lesen.
Unbestritten das Verdienst des Buches und der Autorin: das Thema Insolvenz aus der Tabuzone zu holen. Die Folgen der Insolvenz darzustellen, die einen Neustart kaum zulassen, die Stigmatisierung anzuprangern, der Insolvente ausgesetzt sind, das Abdrängen in gesetzliche Graubereiche, was das Sichern des Lebensunterhalts betrifft, wenn einem alles unter den Händen weggepfändet wird. Die Reaktionen auf das Buch zeigen auch: Hier war und ist Handlungsbedarf – und da kommt die nachdrückliche Öffentlichkeitsarbeit von Anne Koark zur rechten Zeit und mit der richtigen „Power“.