Ein sehr wertvolles Arbeitsinstrument
Interview mit Ingmar Schöfisch, Betreiber von ReNo-Mail, einer Mailingliste für Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellte KM: Lieber Herr Schöfisch, wie kam es zur Gründung von ReNo-Mail?
Meine Arbeitgeber, die Rechtsanwälte Etzel & Burmester (www.etzel-burmester.de), tauschen Erfahrungen, Infos, Neuigkeiten und Ähnliches über eine Mailingliste, die sich die ANWALT-Liste (www.anwalt-liste.de) nennt, aus.
Meine Chefs erzählten oft sehr begeistert von dieser Liste. Ich war nach einiger Zeit sehr neidisch, da so eine Liste in dem Beruf der Fachangestellten auch ohne Frage sehr hilfreich sein könnte.
Ich begann nach einer solchen Liste zu suchen und benutzte zahlreiche Suchmaschinen. Alles, was ich fand, war ein Forum, auf welches man sich wieder und wieder einloggen müsste, um zu erfahren, ob man bereits eine Antwort auf seine Frage vorliegen hat.
Nach einer Woche erfolgloser Suche richtete ich bei KBX7 die Liste „Diskussionen unter Rechtsanwaltsfachangestellten“ ein. KBX7 waren bei der Suche nach Mailinglisten die ersten, die ich als große Anbieter wahrnahm.
Als ich meinen Chefs davon erzählte, waren diese absolut begeistert und fragten, ob sie es in ihrer Liste posten dürften. Dem stimmte ich selbstverständlich zu.
Eine Seite mit den Links zu den Anmeldeseiten von KBX7 brachte ich auf meiner Seite „Schoefisch.org“ unter, damit die Chefs einen Anhaltspunkt (eine URL) zum Mailen hatten.
Am nächsten Tag sah ich, dass 15 Mitglieder in die Liste eingetreten waren. Meine Statistik auf „schoefisch.org“ explodierte.
Nach einer Woche waren wir bereits 25 Mitglieder.
Da Webdesign ein großes Hobby von mir ist, habe ich in dieser Liste eine Zielscheibe für eine neue HTML-Spielwiese gesehen und ließ mir die Domain „reno-mail.de“ registrieren. Seither kommen oft Fragen, wer denn der Sponsor sei. Ich kann immer nur antworten, dass ich die Liste rein zum Vergnügen unterhalte.
Derzeit (Stand Mitte April, KM) sind wir 55 Mitglieder in der Liste „RA-FRAGEN“. Ein paar haben sich zusätzlich in den anderen beiden Listen „ReNo-Chat“ und „NO-FRAGEN“, die damals ebenfalls von mir angelegt wurden, eingetragen. Da sich die erste Liste „RA FRAGEN“ als Favorit herausgestellt hat, werden die drei Listen jedoch demnächst zusammengelegt.
Die Mitglieder sind nicht nur ReNo-Fachangestellte sondern auch ein paar Rechtsanwälte, Notare, Versicherungsfachangestellte, Software-Entwickler, Quereinsteiger und weitere.
Es dauerte eine Weile (auch durch meine Unerfahrenheit), bis sich in den Mailinglisten einige Regeln (wie z. B. das „DU“) durchgesetzt haben. Mittlerweile ist es so, dass eine Frage an die Liste so manchen Weg in die Bibliothek erspart. Einer stellt eine Frage und ein anderer, der denselben Fall gestern erst hatte, weiß im Idealfall sofort die Antwort. Eventuell ergibt sich aus mehreren Meinungen eine Diskussion, woraus wertvolle Rechtstheorien hervorgehen können.
Die Liste ist derzeit noch sehr klein und die Zahl der aktiven Mitglieder sehr überschaubar. Ich habe mir in der letzten Zeit keine Gedanken darüber gemacht, die Liste bekannter zu machen. Somit gab es seit längerer Zeit keinen Zuwachs, was ich auf Langzeit jedoch ändern möchte. Mein Ziel ist es, dass sich aus dieser Liste eine große Gemeinde ergibt, in welcher möglichst viele Erfahrungen teilen und austauschen können.
KM: Wie lange hat es gedauert von der Idee bis zum ersten Posting?
Das war nur ein Tag. Bis die erste Diskussion losging, verging ca. eine Woche.
KM: Was sagen die Teilnehmer zu dem Angebot?
Bislang hatte ich nur positives Feedback. Die meisten Mitglieder fanden es eine tolle Idee. Andere fragen sich, wieso sie nicht selbst darauf gekommen sind. Viele Azubis haben ich angemeldet und lernen in dieser Liste viel dazu. Sie wagen es, Fragen zu stellen, die sie sich in ihrem Ausbildungsbetrieb nicht zu stellen trauen. Eine Umfrage unter den Mitgliedern ergab, dass der größte Teil der Liste mit dem Mitgliedsdurchschnitt und mit der Stimmung sehr zufrieden ist. Das einzige, was man sich noch wünschen kann, sind mehr Mitglieder.
KM: Warum sollten sich ReNos an den Mailinglisten beteiligen?
Ein ReNo hat – wie jeder andere Mensch – nach der Regel-Lehrzeit von drei Jahren noch lange nicht ausgelernt. Gerade bei den Rechtsanwälten und/oder Notaren ist es wichtig, von den Erfahreneren zu lernen. In kleinen Büros wird heutzutage oft junges Personal eingestellt; es fehlt oft dieses nötige Vorbild. Die Anwälte können nur das, was im Jura-Studium vermittelt wird – was leider selten im Zusammenhang mit der Praxis steht. Die einzige Möglichkeit für den ReNo, herauszufinden, ob er etwas richtig gemacht hat, liegt darin, Fehler zu machen.
Mit dieser Liste kann ein unerfahrener ReNo von den Erfahrungen der anderen Listenmitglieder lernen – und Fehler vermeiden. Weiter kann jeder, der sich für die Anwalts- und Notariatspraxis interessiert, schlau über die Ansichten anderer machen. Dabei werden oft wertvolle Rechtstheorien entwickelt.
Ein weiterer Grund: ReNos haben oft nicht die Medien, die Rechtsanwälte haben (juristische Zeitschriften oder Ähnliches). Wenn sich etwas am Gesetz ändert, erfährt der ReNo das oft als Letzter im Büro.
KM: Orientieren Sie sich mit Ihrer Liste an Vorbildern?
Mein Vorbild war ursprünglich die Anwalt-Liste. Mittlerweile habe ich in viele Mailinglisten hineingeschnuppert und habe mir mittlerweile ein eigenes Bild gemacht. Mein Vorsatz ist es, aus der Moderation für die richtige Stimmung zu sorgen. Es gibt Listen, da ist man beim Posten die ganze Zeit damit beschäftigt, die Regeln der Liste (mehrere Bildschirme lang) nicht zu missachten. Davon halte ich nichts. Gewisse Regeln müssen eingehalten werden, was jedoch keinen einschüchtern soll.
KM: Wie beurteilen Sie die Einsatzmöglichkeiten von Mailinglisten für fachspezifischen Austausch?
Ich bin der Meinung, dass bei einem gut organisierten E-Mail-System am Arbeitsplatz Mailinglisten eine sehr sinnvolle Einrichtung sind. Sollte der Mitarbeiter sich, um an der Diskussion teilzunehmen, jedes Mal von der Arbeit trennen müssen, ist sie selbstverständlich unökonomisch und wird von keinem Arbeitgeber lange geduldet.
In meiner Liste sind sowohl Personen, die ihre Mail am Arbeitsplatz empfangen und beantworten, als auch Personen, die abends zu Hause die Zusammenfassung der Postings durchgehen und dann entsprechend die Beiträge zur Diskussionen nachholen.
Meine Einstellung ist also: Solange die Mailingliste die Arbeit nicht mehr beeinträchtigt, als sie an Arbeitserleichterung bringt, ist sie ein sehr wertvolles Arbeitsinstrument.
Betriebsintern finde ich Mailinglisten ebenfalls sehr gut einsetzbar. Sie geben die Möglichkeit, eine komplette Betriebsversammlung zu simulieren, ohne dabei den Betrieb eine Stunde lang von der Arbeit abzuhalten.
KM: Lieber Herr Schöfisch, vielen Dank für diesen sehr interessanten Einblick in Ihr Projekt!
Der Link zur Liste: