Online-Publishing in der Krise? (Teil 3)
Teil 3: Die Krux mit den Bezahlmodellen
Diesmal stellen wir in unserer kleinen Serie zum Thema Online-Publishing die Frage, ob das Umlegen der Kosten auf den User praktikabel ist… In den ersten beiden Folgen (1, 2) dieser kleinen Serie haben wir das Problem der Content-Produktion und -Vermarktung aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Und dabei wurde klar, dass Anbieter und Nutzer unterschiedliche Sichtweisen haben. Eines ist aber unbestritten: Viele Online-Angebote werden die Segel streichen, wenn sie keine tragfähigen Geschäftsmodelle finden.
Geschäft und Gegengeschäft
Natürlich kann man zur Frage der Geschäftsmodelle unterschiedliche Ansichten haben. Mancher meint gar, Wertschöpfung und Refinanzierung seien Teufelswerk – und verleugnet dabei, dass jede Aktion, jede Tätigkeit einen Aufwand bedeutet – und dass es immer darum geht, einen Gegenwert zu finden. Dieser muss nicht in Profit ausarten … ja, er muss nicht mal monetär sein. Es kann aber natürlich darauf hinauslaufen: Gegenwert – das können zum Beispiel auch die berühmten „15 minutes of fame“ sein … aber diese 15 Minuten sind irgendwann rum. Und dann? Die Konkurrenz ist groß und bald ist ein anderer berühmter. Altruismus, Uneigennützigkeit funktioniert nur in den seltensten Fällen auf Dauer – die Grenze zur Selbstausbeutung ist schnell überschritten. Wenn dem Aufwand kein Gegenwert gegenüber steht, dann kommt sie halt, die Sinnkrise…
Viele Newsletter- und Online-Anbieter haben auf direkte oder indirekte Umsätze, auf Aufträge und Anfragen gehofft. Zumeist vergeblich. Ja … man wäre ja schon froh, ehrliches, persönliches Feedback zu bekommen. Wahrgenommen zu werden.
Doch in der Praxis weiß man oft nicht einmal, wer die erstellten Inhalte liest. Ob sie überhaupt gelesen werden. Statistiken wie Klickraten und Page Impressions sind nur wenig aussagekräftig – erst recht, wenn die erhofften Folgereaktionen ausbleiben. Und wenn schon die Wertschätzung ausbleibt, dann eben doch schnöder Mammon!
Lieber Werbung als Gebühren?
Allerdings ist da das Problem, dass die Nutzer ja schon mit ihrer Aufmerksamkeit zahlen, wie im zweiten Teil ausgeführt. Dass sie ihre Mailadresse bekanntgeben und oft noch zahlreiche weitere persönliche Daten. Und nur selten werden sie bereit sein, die echten Gestehungskosten zu berappen.
Die W3B-Analyse vom November 2002, von Fittkau & Maaß erstellt, hat kürzlich zu so interessanten Schlagzeilen geführt wie „Web-Nutzer wollen lieber Werbung als kostenpflichtige Inhalte“. Wundert das wirklich jemanden? Einerseits wird die Tatsache, dass sich auch Online-Angebot refinanzieren müssen, von immer mehr Nutzern akzeptiert. Andererseits soll dieser Gebühren-Kelch an einem selbst natürlich vorbeigehen: Klar – lieber Werbung als Gebühren. Lieber subventioniert als teuer.
Doch wer jetzt auf die zahlungsunwilligen Nutzer schimpft, der betrachtet nur die eine Seite der Medaille. Schon immer war es im Publishing üblich, eine Mischkalkulation zu betreiben und komplexe Verwertungsketten aufzubauen. Inhalte werden mehrmals verwendet, neu zusammengestellt, zu verschiedenen Zeiten über verschiedene Kanäle zu unterschiedlichen Kosten bereitgestellt und vieles andere mehr. Ja – viele Inhalte, die man im Web und in Newslettern findet, sind im Grunde reine Zweitverwertung.
Umlagesysteme: vom „Verbraucher“ nur selten wahrgenommen
Schauen wir mal in den Print-Bereich: Wer für seine TV-Zeitschrift oder Tageszeitung die wirklichen Produktionskosten zahlen sollte, würde sich schön wundern – und den Bezug umgehend einstellen. Noch grausamer wäre die Rechnung, wenn man die tatsächlichen Kosten für die wenigen Beiträge zahlen soll, die man wirklich auch liest. Aber zum Glück wird im Printbereich nicht artikelweise abgerechnet und es gibt nicht unerhebliche Werbeeinnahmen, die die Publikation für den Käufer subventionieren.
In manchen Städten, z.B. in Wien, gibt es Zeitungen, die kostenlos an die Leser abgegeben werden. Kein „Premium-Content“, aber ein für den Leser akzeptables Modell, durch Werbung finanziert. Im Verlagswesen subventionieren die Bestseller die Bücher, die hinter den Erwartungen zurück bleiben oder die nur für einen kleinen Nischenmarkt interessant sind. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist eine „Grundversorgung“ gesetzlich verankert – auch hier wird quersubventioniert. Und viele Kundenzeitschriften werden kostenlos abgegeben, dafür aber als Marketingaufwendungen aus anderen Einnahmen finanziert. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Nicht subventionierter Premium-Content ist teuer
Klar gibt es auch Angebote, die sich komplett selbst tragen und ohne jede Subventionierung auskommen. Aber man muss schon sehr gezielt danach suchen und meistens bedienen diese eine ganz spezielle Zielgruppe, die auch bereit ist, sehr hohe Abo-Gebühren zu tragen. Für „Premium-Content“ ist man dann bereit, auch einen entsprechenden Preis zu bezahlen – wenn dieser nirgends anders zu bekommen ist, einen hohen Nutzwert hat und auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten ist: Convenience, Nutzwert, Aktualität.
Offline: Komplexe Verwertungsketten
Seien wir ehrlich: Es hat hundert Jahre (eigentlich noch viel länger) gedauert, bis sich die etablierten Publishing-Modelle entwickelt hatten. Und auch sie stehen auf tönernen Füßen, wie man tagtäglich der Presse entnehmen kann. Dazu wurden zum Teil enorm komplexe Verwertungsketten aufgebaut – das beste Beispiel dafür liefert Hollywood mit Merchandising, gestaffelter Verwertung (Kino, Video-Verleih, Kauf-DVDs, TV …), dem Making-of, dem Buch zum Film und dem Film zum Buch. An diesen Verwertungsketten sind zahllose Geschäftspartner beteiligt.
Was macht uns glauben, dass wir nun als One-Man-/One-Woman-Show all diese Entwicklungen ignorieren und als Anbieter erfolgreich sein können, wenn wir nur den Nutzer gehörig unter Druck setzen?
Der nämlich fühlt sich häufig vor den Kopf gestoßen. Wie in der vergangenen Folge gezeigt, hat er bereits eine Gegenleistung erbracht: sein Vertrauen, seine Aufmerksamkeit, seine Daten. Die Folge unreflektierter Verkündung neuer, gebührenbezogener Geschäftsmodelle: Bestrafung durch Nicht-Beachtung. Der Nutzer hat es sicher nicht notwendig, sich ein schlechtes Gewissen einreden zu lassen – der ist höchstens verblüfft, wie wenig er manches Angebot vermisst, hat er sich einmal dagegen entschieden!
Neue Wege gehen…
Und nun? Es gibt keine einfachen Lösungen. Auf Dauer werden sich neue Modelle entwickeln – und neue Angebote. Aber es gibt auch in der „Offline-Welt“ kaum Beispiele dafür, dass jemand freiwillig für etwas bezahlt, das er vorher kostenlos bekam. Der Nutzer ist nicht verantwortlich, wenn sich die impliziten oder expliziten Hoffnungen der Anbieter nicht erfüllt haben.
„Personal Publishing“ wird sich nur in den seltensten Fällen selbst tragen – es müssen auch online Verwertungsketten und Subventionsmodelle aufgebaut werden – aber das wird für viele Anbieter zu aufwändig, bedeutet es doch, nicht nur für Nutzer/Leser, sondern auch für potenzielle Partner attraktiv zu sein…
Qualitativ gute Angebote allerdings werden ihre Chancen für die Etablierung alternativer Geschäftsmodelle bekommen. Bestehende Angebote können nun versuchen, in einem Miteinander von Anbieter und Leserinnen und Lesern neue Wege zu gehen und sich ihre Nischen zu erobern…
In der vierten Folge: Inhalt wertvoll, Verwertung nicht? Das zusätzliche Problem der Virtualität…