Online-Publishing in der Krise? (Teil 1)
Teil 1: Sinnkrisen
In einer kleinen Serie zum eDings-Geburtstag wollen wir ein paar Aspekte des Online-Publishings etwas näher beleuchten. In der ersten Folge dreht sich alles um die bewegende Frage nach dem Sinn… Es ist auffallend, wie viele Online-Anbieter, Newsletter-Versender und sogar „Blogger“ derzeit in einer Sinnkrise stecken. Das Problem aller ist die Tatsache, dass die Produktion guten Contents Zeit & Geld kostet. Dass die klare Zielsetzung fehlt („Warum mache ich das alles eigentlich?“) – und dass die Leser zumeist nur „konsumieren“, ohne selbst etwas zurückzugeben.
Content und Geschäftsmodelle
Das Problem im Web: Im Grunde ist das Publishing zu einfach geworden! Jeder kann einen Newsletter anbieten und eine Website aufbauen, ja, mit einem Weblog ständig aktuelle Inhalte bereitstellen.
Letztlich geht es aber nicht darum, „veröffentlicht zu sein“, sondern um den Content – die Inhalte. Und hier vor allem um die Relevanz für die Leser. Content zu erstellen, der für den Abnehmer „wertvoll“ ist, bedeutet mehr als ein paar Tasten zu drücken und Buchstaben zu Worten, Worte zu Sätzen und Sätze zu Beiträgen zusammenzufügen.
„Wertvollen“ Content zu produzieren bedeutet zunächst, die Bedürfnisse einer Zielgruppe zu kennen, zu adressieren und dabei in gewisser Weise „einmalig“ zu sein. Der Verlagsbetrieb zeigt dabei, dass es sich gar nicht um die wahren Bedürfnisse der Leser handeln muss: Hier sind die Revenue-Modelle z.T. derart komplex, dass Dritte (Werbepartner, Handel …) die entscheidende Rolle spielen.
Im Web aber zeigt sich immer wieder, dass die etablierten Wertschöpfungsketten fehlen oder sehr kurz sind. Zunächst erscheint es dem Anbieter als ein großer Vorteil, Autor, Redakteur, Lektor, Korrektor, Publisher und Vertriebsmitarbeiter in einer Person zu sein. Aber irgendwann zeigt sich eben auch, dass diese Rollenverteilung ihre Daseinsberechtigung hat und ihr Fehlen durchaus Nachteile mit sich bringt.
Was das Ego mancher ins Unermessliche steigert, das wirkt sich bei der Relevanz und damit auch auf eine wie auch immer gearteten „Zielerreichung“ kontraproduktiv aus: Ja – endlich kann ich schreiben, was ich will. Kein Lektor, der kritische Bemerkungen ablässt. Doch: Will wirklich jemand meine Ergüsse lesen? Vielleicht. Vielleicht will er sich daran auch nur schadlos halten. Und will er dafür zahlen? Vermutlich nicht.
Mit der immer weiteren Vereinfachung des Publishings verfällt auch vielfach der „Wert“ der so generierten Inhalte. Vielfach – nicht immer. Aber es kommt immer mehr auf die Inhalte an – zumal die Konkurrenz (die natürlich niemand wahrhaben will) immer größer wird.
Wer Inhalte wiedergibt, die in dieser oder ähnlicher Form leicht an anderer Stelle zugänglich sind, der wird auf Dauer Probleme mit seinen Lesern und deren Loyalität bekommen. Der Shuttle-Absturz hat gezeigt, dass Blogs eben nicht neue Informationen anboten, sondern sich selbst wieder den Informationen der NASA und CNN bedienten. Insofern gibt es eben keinen „neuen Journalismus“ von unten – denn Profi-Journalismus bedeutet viel Arbeit, Kontakte und ein funktionierendes Netzwerk. Ja, Blogs haben sich beim WTC-Anschlag bewährt … aber nur deshalb, weil wirklich Betroffene agierten – Leute, die eine spezielle, individuelle Erfahrung umgesetzt haben, Menschen, die etwas zu sagen hatten! Und ganz ähnlich ist es mit Newslettern oder mit anderen Content-Angeboten: Welche Angebote sind wirklich bedeutsam und neu?
Wer hingegen Privates zum Thema macht, ohne damit einen wie auch immer gearteten Verarbeitungsprozess zu verbinden, der darf sich nicht wundern, wenn dieses zum Gegenstand öffentlicher Diskussion wird, er selbst aber nur einer Schublade zugeordnet wird.
Carola Heine dazu auf ihren Webseiten: „Das Beste am Internet ist, dass sich auch solche Leute frei äußern können, deren Meinung nicht von Interesse ist. „
Je einfacher das Publishing wird, umso wichtiger wird es daher, sich sehr genau auf eine Zielgruppe oder ein Thema zu konzentrieren. Nischenkommunikation wird zum entscheidenden Konzept! Je mehr ich versuche, Publizität um der Publizität willen zu erreichen, desto schneller werde ich scheitern. Denn es geht nicht um mich, um meine Person … sondern höchstens darum, ob ich etwas Relevantes zu sagen habe.
Im Gegensatz zu den vielfach geäußerten Meinungen, das Web ermögliche „demokratisches Publishing“, ist es also vielleicht eher so, dass Content durch das unendliche Angebot abgewertet wird. Die Informationsflut nimmt immer weiter zu und letztlich wird es vielleicht gerade darauf hinauslaufen, dass das klassische Publishing (mit Redaktion und allem PiPaPo) an Bedeutung gewinnt: als einzige verlässliche, auffindbare Quelle mit einer Art „Qualitätskontrolle“.
Die Strategie
Damit aber stellt sich für alle, die sich in dieser Sinnkrise befinden, die entscheidende Frage nach dem wirklichen Grund all dieser Mühen. Ob es nun Betreiber einer kleinen Website, Newsletter-Anbieter oder Blogger sind: Oft zeigen sich hinter den Kulissen Anzeichen von Selbstausbeutung und Seelenstrip. Und tiefsitzende Zweifel: Warum und wofür das alles? Dieser Seelenstrip kann sich dabei auch darin zeigen, dass man die eigenen Consulting-Leistungen zu Dumpingpreisen im Newsletter anbietet oder gar als Zugabe zum – in Zukunft dann kostenpflichtigen – Abo drauflegt. "Für das künftige 80-Euro-Abo erhalten Sie Consulting-Leistungen im Werte von 575 Euro, zusätzlich unser E-Book »So werde ich reich« und einen kostenlosen Urlaub in meiner Wohnung für maximal drei Wochen." – Wie tief kann man eigentlich noch sinken?
Natürlich: Die Wirtschaftslage ist nicht einfach. Und es zeigt sich immer deutlicher, dass die meisten interessanten Internetangebote kostenfrei nicht überleben können. Die Frage ist allerdings, was das eigene Angebot zu einem interessanten Angebot macht. Was ist die Eigenständigkeit? Warum mache ich das alles?
Nur wenn ich in der Lage bin, diese Fragen zu beantworten, dann kann ich auch versuchen, ein tragfähiges und für alle befriedigendes Konzept zu entwickeln. Aber dazu muss ich zunächst an mich selbst glauben. Und vernetzt denken: Denn die Nutzer werden kaum ihre Anspruchshaltung verändern, nur weil ich plötzlich auf die Tränendrüse drücke.
Lesen Sie auch die zweite Folge: Das Missverständnis von der „baren Münze“