Online-Publishing und Weblogs (Part 1)
Heute starten wir mit einer kleinen Reihe zum Thema Online-Publishing und Weblogs. Wie viele unserer Leser wissen, basiert eDings.de im Kern auf einer Weblog-Software, nämlich Sunlog von Andreas Ahlenstorf. Doch was ist überhaupt ein Weblog, welche Varianten gibt es und was sind die Unterschiede zu Content Management Systemen (CMS)? Auch auf die Frage, was solche „Spielereien“ wie RSS und TrackBack sind, werden Sie in den weiteren Folgen dieser kleinen Artikelserie eine Antwort erhalten.
Ausgangspunkt für diese Beitragsserie war eine Diskussion in der Networker-Mailingliste von Klaus Arnhold. Dort wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit Weblogs (oder kurz: Blogs) eine Alternative zu einfachen CMS-Systemen seien.
Nun, dazu muss man zunächst feststellen, dass in den vergangenen zwölf Monaten ein starker Trend zu beobachten war hin zu dynamisch generierten Webseiten und „einfachen“ Publishing-Lösungen. „Einfach“ bedeutet hierbei vor allem, dass die Aktualisierung statischer HTML-Seiten immer Kenntnisse im Bereich Webdesign und Webhosting voraussetzt … Kenntnisse, die nicht jeder besitzt. In Unternehmen sieht das dann oft so aus, dass alle Änderungswünsche zentral bei einer Person auflaufen oder gar über eine Webagentur durchgeführt werden müssen. Damit sind aber einer kontinuierlichen Pflege der Webseiten enge Grenzen gesetzt – sowohl in organisatorischer als auch in finanzieller Hinsicht.
Mehr noch: Es ist nicht gesagt, dass ein guter Webdesigner oder Webmaster auch ein guter Online-Redakteur ist. Das gilt natürlich auch umgekehrt. Lösungen für dieses Problem gibt es vor allem im redaktionellen Umfeld schon lange: Redaktionssysteme sind speziell auf die Bedürfnisse einer Online-Redaktion zugeschnittene Content Management Systeme. Sie erlauben nicht nur die dezentrale Erfassung von Texten über ein formularbasiertes Erfassungssystem, sondern bilden auch die Genehmigungsprozesse und den sonstigen Workflow nach. Ein Redakteur kann so einen Artikel schreiben, ohne selbst Kenntnisse über HTML und Co. zu haben. Sein Text wird jedoch nicht sofort auf der Website erscheinen, sondern erst von dem Redakteur vom Dienst oder dem Chefredakteur freigegeben. Dabei wird auch festgelegt, an welcher Stelle auf der Website der Beitrag erscheinen soll, und Regelsysteme geben zudem an, was mit dem Beitrag passiert, der bisher an dieser Stelle stand. Faktisch leisten solche Redaktionssysteme noch viel mehr – wesentlich ist aber, dass der Text über ein Template formatiert wird und dann im richtigen Layout auf der Website erscheint, ohne dass der Redakteur sich hätte darum kümmern müssen.
Solche Redaktionssysteme kosten eine Menge – zehntausende oder auch hunderttausende von Euro kann eine solche Installation verschlingen. Die Kosten sind vor allem deshalb so hoch, weil ein solches System nicht „out-of-the-box“ verwendet werden kann, sondern neben umfangreichen Anpassungen auf das Einsatzszenario auch ein hoher Schulungsbedarf entsteht.
Klar, dass da viele Interessenten zurückschrecken. Aber nicht jeder braucht die Funktionalität und den Komfort eines ausgewachsenen Redaktionssystems. Und so entwickelten sich in den letzten Jahren zahllose universelle Content Manangement Systeme – jedes mit seinen eigenen Stärken und Schwächen. Ein umfassender Marktüberblick ist kaum mehr zu bekommen. Es gibt auf der einen Seite Lösungen, die komplett bei einem Serviceprovider gehostet werden und die man rein grafisch konfiguriert, und andererseits auch Open-Source-Projekte, die man (das entsprechende Know-how vorausgesetzt) auf dem eigenen Server aufsetzen kann.
Weblogs sind zumindest ein begrenzter Ersatz für CMS, wenn es nicht um die Abbildung von Workflows geht und wenn die Seitenstruktur recht einfach bleibt. Bei komplexen Strukturen sind die Template-Systeme kommerzieller CMS deutlich leistungsfähiger. Und echtes Workflow und die Unterstützung von Genehmigungsprozessen bietet meines Wissens kaum eine Weblog-Software.
Aber: Weblogs bieten sich an, wenn man in begrenztem Umfang aktuelle Nachrichten in seine Website einbringen will, ohne ständig jemanden mit der Veränderung von HTML-Seiten beauftragen zu müssen. Wie man eine Weblog-Software „seamless“ in eine Webpräsenz einbinden kann, will auch eDings.de zeigen … weniger als klassisches Blog denn als bequeme Publishing-Lösung.
Und genau da sind Teile der Weblog-Szene sehr verbissen. Was ist denn ein „Weblog“ überhaupt? Für viele Hardcore-Blogger ist das ein nicht-kommerzielles Online-Angebot mit vielen kleinen, umgekehrt-chronologisch sortierten Einträgen, die zumeist auf andere Online-Angebote verweisen und die in der Szene kräftig untereinander verlinkt werden. Quasi die Dokumentation der eigenen Web-Reisen. Zum Teil haben diese Weblogs sehr stark privaten Charakter und sind für den unbedarften Besucher reichlich uninteressant. Immer häufiger aber gibt es auch sehr gut gemachte Weblogs, die vor allem durch die Vielzahl der News beeindrucken. Ein Beispiel ist hier der Schockwellenreiter. Das Weblog von Jörg Kantel hat es in den letzten Wochen zu zusätzlicher Berühmtheit gebracht durch eine Abmahnung des Suhrkamp-Verlages wegen eines Links auf eine illegale Kopie des neuen Walser-Romans.
Neben diesen Weblogs beziehungsweise Blogs haben sich Webdiaries entwickelt, die weitaus seltener aktualisiert werden und längere Beiträge beinhalten. Auch bei diesen Online-Tagebüchern handelt es sich um persönliche Webseiten, auch wenn sie große Popularität haben können wie beispielsweise „Growing Pains“ von Carola Heine alias Melody mit bis zu 2.000 „höchstens so 350 bis 400“1 User Sessions pro Tag. Dabei legt die Autorin Wert auf die Feststellung, dass nicht jedes Webdiary mit dem Schmolldaumen im Mundwinkel geschrieben und dass nicht alles immer bierernst gemeint ist … was man bei manchem privaten Ally-McBeal-Fan-Webdiary fast vergessen könnte. Aber das nur am Rande.
Für die unkomplizierte Realisierung solcher Anwendungen wurde eine Vielzahl von Softwaresystemen entwickelt. Allen Lösungen gemein ist, dass die Inhalte über ein Interface z.B. im Browser eingegeben werden und dann automatisch die Webseiten auf der Basis eines Templates aktualisiert werden. Sowohl Weblogs als auch Webdiaries trennen also die Erstellung der Inhalte von der Generierung der Webseiten, für die wieder Vorlagen beziehungsweise Templates herangezogen werden. Die Eingabe neuer Beiträge erfolgt in der Regel über ein Webformular, nach dem Absenden wird der neue Beitrag dann automatisch eingepflegt, ohne dass HTML- oder FTP-Kenntnisse vonnöten wären.
Die Systeme kann man grob in drei Kategorien unterteilen:
- ASP-Lösungen (wie Blogger.com) mit dem Vorteil, dass keinerlei Programmier- oder Administrationstätigkeiten anfallen. Wer will, kann ein eigenes Template entwickeln, sonst nimmt man eines von Hunderten fertiger. Vorteil: man kann innerhalb weniger Minuten loslegen. Nachteil: Anpassungen und Erweiterungen kann man nur sehr begrenzt vornehmen, Blogger und Co. leiden zeitweise unter Performance-Problemen, da hier Abertausende von Blogs gehostet werden – zumindest bei den Gratisangeboten. Die kostenpflichtigen Premiumdienste sind zuverlässiger und leistungsfähiger.
- Software, die auf dem eigenen Webspace installiert wird, die aber zur Speicherung der Daten kein Datenbanksystem benötigt, sondern alle Einträge in Dateien verwaltet. Beispiele sind Greymatter und MovableType. Vorteil: die Anforderungen an den Webspace sind moderat, es wird nur verlangt, dass (je nach System) PHP, Perl o.ä. zur Verfügung steht. Als Nachteil macht sich der aufwändige Dateizugriff spätestens dann bemerkbar, wenn viele Einträge zu verwalten sind. Viele Softwarelösungen gibt es kostenlos, manchmal werden für die kommerzielle Nutzung Lizenzgebühren fällig.
- Datenbankbasierte Lösungen wie Sunlog, B2 und andere. Hier wird eine Datenbank benötigt, zumeist MySQL. Vorteile sind die hohe Flexibilität und Performance. Der größte Nachteil: Diese Systeme sind nicht immer ganz einfach zu administrieren und anzupassen. Auch hier gibt es viele kostenlose Softwarelösungen, aber auch kommerzielle Angebote.
Technisch unterscheiden sich die Systeme zudem darin, ob wie bei Sunlog aus den einzelnen Beiträgen jeweils bei jedem Seitenabruf dynamisch eine neue Webseite generiert wird oder ob statische Webseiten generiert werden, wie dies bei Blogger.com der Fall ist. Im letzteren Fall muss ein Rebuild explizit veranlasst werden
Die bisherigen Weblogs hatten in der Regel recht individuelle Zielsetzungen. Zumeist entwickelten sich rund um diese privaten Blogs mehr oder weniger geschlossene Communities. Beispiele findet man unter anderem bei Antville. Es entstehen neue Freundschaften und entscheidend ist dazu die Kommentarfunktion für jeden einzelnen Beitrag. Diese Kommentarfunktion weicht bei anderen Blogs zum Teil einem Forum (wie beispielsweise beim Schockwellenreiter).
So weit die Grundlagen. Jetzt hat sich in den letzten Monaten ein Paradigmenwechsel vollzogen, der manchen Bloggern gar nicht gefällt: Unternehmen und Selbstständige beginnen die Blogs – oder genauer gesagt die zur Verfügung stehenden Softwarelösungen – für sich zu entdecken. Die Gründe hierfür sind vielfältig und reichen vom unkomplizierten Publishing bis hin zur Community-Bildung, wie die folgenden Beispiele zeigen. Macromedia nutzt Blogs im amerikanischen Sprachraum zur Kommunikation mit den Nutzern (Community), Abseits.de vor allem als Publishing-Instrument (es gibt fast keine Kommentare), ebenso Arnholds Anekdaten (derzeit komplett ohne Kommentarfunktion) – und auch unser eDings verzichtet momentan weitestgehend auf eine Kommentarfunktion für die Leser und damit auch auf aktive Community-Bildung, zukünftig wird es Kommentare selektiv geben. Daneben kenne ich Unternehmen, die Weblogs im Intranet einsetzen zur Mitarbeiterkommunikation und im Change Management. Gerhard Schoolmann hat die Website zum Restaurant „Zum Reichelbräu“ in Bamberg komplett als Blog realisiert. Und derzeit entwickle ich eine Lösung für einen Verein, auch auf Blog-Basis. Hier zeigt sich ein weiterer Aspekt, nämlich die Unterstützung mehrerer Autoren/Redakteure. Die ursprünglichen Blogs hatten immer nur einen Urheber, bei eDings gibt es momentan drei.
Typisch für Weblogs im Vergleich zu komplexen CMS ist die (umgekehrt-) chronologische Reihung der Beiträge. Das ist natürlich für manche Zwecke nicht zielführend. Allerdings kann man bei geschickter Gestaltung der Templates auch hier unter Umständen eine Aufweichung erreichen – vorausgesetzt, das eingesetzte System ist entsprechend flexibel. An dieser Stelle wird man jedoch auch überlegen müssen, ob eine Weblog-Software eventuell nur in einem Teilbereich der Website eingesetzt werden kann oder ob doch besser ein vollwertiges CMS zum Einsatz kommt.
Für mich ist ein Blog vor allem eine Möglichkeit, rasch und kostengünstig zu publizieren. Ich muss keine HTML-Seiten basteln und uploaden. Insofern ersetzt die Weblog-Software durchaus ein kleines CMS … aber ein „echtes“ CMS ist deutlich leistungsfähiger. Es bleibt natürlich die Frage nach der geeigneten Software. Für kleine Unternehmen kann eine ASP-Lösung wie Blogger.com eine brauchbare Lösung sein. Wenn man weitere Anpassungen vornehmen will, gibt es hier aber rasch Grenzen. Alternativen – ob sie sich nun Weblog-Software oder CMS nennen – gibt es massenhaft … auch kostenlos.
Leider gibt es nur wenig Markttransparenz. Eine (leider nicht aktuelle) Mini-Übersicht zu Weblogs findet sich bei Bloghaus.de. Für CMS gab es im letzten PHP Magazin (Ausgabe 2/02) eine Übersicht.
Es bleibt jedoch anzumerken: Einfach eine Weblog-Software einzusetzen bringt für sich genommen nicht viel. Es ist notwendig, eine Strategie für den Einsatz zu entwickeln, die nicht nur den Einsatzzweck umfasst, sondern auch die Voraussetzungen klärt für regelmäßige Aktualisierungen. Nichts ist so uninteressant wie ein schlecht gewartetes und nicht aktualisiertes Blog! Eine detaillierte Analyse der Vorgaben und Zielsetzungen ist auch unabdingbar, wenn es um die Auswahl einer geeigneten Softwarelösung und die Anpassung der Templares geht. Falls Sie Fragen haben, sprechen Sie uns an: Wir können Sie individuell beraten!
Vielleicht konnte dieser Beitrag ein wenig Licht ins Dunkel bringen – derzeit wissen etwa 95% der Projektverantwortlichen in den Unternehmen noch nichts mit dem Begriff „Weblog“ anzufangen. „CMS“ kennt dagegen jeder … oder kann doch zumindest mitreden. Das ist wie bis vor kurzem mit Linux: Weblogs haben keine Lobby – nur User.
Antville: http://www.antville.org/
Blogger.com: http://www.blogger.com
B2: http://cafelog.com
Greymatter: http://www.noahgrey.com/greysoft/
MovableType (MT): http://www.movabletype.org/
Sunlog: http://www.sunlog.org
Radio Userland & Manila: http://www.userland.com/
Und die CMS-Übersicht des PHP-Magazins gibt es online unter:
http://www.phpmag.de/cms-uebersicht/
Mehr zum Thema Weblog & Co. beim nächsten Mal!
(Markus Stolpmann)