Nicht gesucht und nicht gefunden: Online-Inhalte gehen am Nutzer vorbei
Wir haben es ja schon immer vermutet: Man findet im Internet häufig nicht, was man sucht, und man sucht nicht, was man findet. Ein privates Forschungsinstitut in der Schweiz, die (mir bislang unbekannte) Genossenschaft IFAA aus Bern, will nun diesem Phänomen mit Hilfe computerunterstützter Inhaltsanalyse erstmals systematisch nachgegangen sein – und interessante Ergebnisse gefunden haben: 80 bis 90% der Inhalte auf den Webseiten werden gar nie nachgefragt oder gesucht! Doch lassen wir die Schweizer selbst sprechen, hier die Pressemitteilung, die uns heute erreichte:
Ein Forschungsinstitut in der Schweiz (Bern) hat unter dem Namen ArgYou (Arguments for You) nach rund 15 jähriger Entwicklungsarbeit eine bahnbrechende Entdeckung gemacht: Mit Hilfe computerunterstützter Methoden können derzeit mit mehreren Grossrechnern über 3,8 Millionen Textinformationen im Internet pro Tag analysiert werden. Dazu bräuchte der Mensch rund 16,6 Jahre Zeit, um diese Texte zu lesen. Es handelt sich nach Auskunft des Leiters des Institutes, Dr. Christoph Glauser, um eine Art Informationsbeschleuniger, bei dem Internetinhalte erstmals äusserst präzise untersucht werden können.
Mit den Studien können die Forscherinnen und Forscher von ArgYou deshalb die Angebote auf Webseiten aller Art direkt mit sämtlichen Inhalten verglichen werden, welche via diverse Suchmaschinen nachgefragt (gesucht) werden. So können die Nutzer dieser Resultate dann deren Angebote und Inhalte viel besser an die Nachfrage anpassen, damit diese in Zukunft auch von der Nachfrage „getroffen“ werden. Es gäbe in Deutschland rund 5 Millionen Webseiten, welche auf diese Weise nachfragenoptimiert werden sollten. ArgYou setzt mit seinen Studien auch neue Massstäbe bei der Bewertung, Qualitätssicherung und Erfolgskontrolle von Webseiten aller Art. Nachdem die Finanzmärkte, Banken, Börsen, Versicherungen und Handel die neuen Möglichkeiten bereits rege nutzen, wird die Methode zunehmend auch für staatliche Auftritte verwendet; schliesslich werden da immer noch auf Kosten der Steuerzahler massenhaft Inhalte neben der Nachfrage (der Bürgerin und dem Bürger) vorbei produziert.
Produkte an der Nachfrage vorbei
Eine aktuelle ArgYou-Studie untersuchte auch, ob diese Veränderungen im Angebot der 17 grössten Schweizer Einzelhändler auch der effektiven Nachfrage der Kundinnen und Kunden im digitalen Detailhandelsmarkt entsprechen. Um dies zu untersuchen, wurden vom IFAA die passenden Nachfragezahlen von Suchmaschinen mit den einzelnen Produkten, also mit dem Angebot der Detailhändler verglichen. Einerseits zielen die Neuerungen tatsächlich in die richtige Richtung: Produktkategorien wie Bio, Max Havelaar, Accessoires, Bücher, Uhren, Spirituosen und Vitamine wurden sogar noch viel häufiger nachgefragt als Themen oder Produkte dazu angeboten werden. Dagegen kann man im Bereich Food eindeutig von einer Fehlentwicklung sprechen: Fleisch, Fisch, Gemüse, Früchte und Delikatessen werden entgegen der Angebotsentwicklung stark nachgefragt. Enorm ist auch die Nachfrage nach Wellnessprodukten und Parfüm. Lustigerweise sucht demgegenüber kein einziger Mensch direkt nach den diversen Ökolabels, obschon diese sehr stark von den Detailhändlern im Internet beworben werden und ebenfalls kaum im Angebot, aber oft nachgefragt werden insbesondere Sportartikel.
Derzeit arbeiten die Berner Inhaltsanalytiker an einem Schweizer Gütesiegel für nachfragenoptimierte Webseiten. Nach Angaben der Institutsleitung vermutet diese einen gewichtigen Grund dafür, dass zahlreiche Internetprojekte in den letzten Jahren Schiffbruch erlitten haben darin, dass man etwas produziert und angeboten hat, wofür es gar keine entsprechende Nachfrage im Netz gab oder wo die Nachfrager gar ganz anders gesucht haben und deshalb das potenziell vorhandene Angebot jeweils gar nicht gefunden haben. „Die Anbieter kennen meistens ihre Angebote besser als die potenziellen Kunden, welche etwas suchen. Aus diesem gegenseitigen Missverständnis heraus können sich Anbieter und Nachfrager im Internet oft gar nicht finden“ teilt Glauser auf Anfrage mit. So bieten beispielsweise Krankenversicherungen in der Schweiz ihre Leistungen als Krankenversicherung an. Der Schweizer Konsument sucht aber nie nach einer Krankenversicherung, sondern wenn schon nach einer „Krankenkasse“. Und schon verpassen sich die beiden Inhalte im Internet.
Na, gut zu wissen. Oder?