Die E-Paper-Abos, die Zeitungsleser und der Streik
Kürzlich ergab eine Sonderauswertung der @facts-Studie des Meinungsforschungsinstitutes Forsa, dass jeder 2. Online-Nutzer kostenpflichtige Inhalte akzeptiert, nur 16 % lehnen Bezahl-Content grundsätzlich ab. Andererseits berichtet die Welt, dass zumindest die E-Paper-Abos der Print-Medien kaum Zuspruch finden… So hat die kostenpflichtige Online-Ausgabe der „Münchner Abendzeitung“ (verkaufte werktägliche Auflage: 143.485 Exemplare) laut IVW-Meldung (Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern) für 9,50 Euro gerade einmal 11 User. Auch die Zahlen der „Sächsischen Zeitung“ (Auflage: 318.986) enttäuschen: 53 User zahlen 7,50 Euro für ein Nur-Online-Abo, weitere 127 beziehen für 2,50 Aufpreis zusätzlich zum Print-Ausgabe die E-Paper-Ausgabe. Besser schon die „Rhein-Zeitung“ (Auflage: 235.893) in Koblenz: 1.801 Leser zahlen zwischen zwei und fünf Euro zusätzlich, um zum regulären Abo auch die E-Paper-Ausgabe nutzen zu können. Viele andere Verlage melden ihre E-Paper-Abos gar nicht erst.
Nicht nur, dass sich die E-Paper-Aktivitäten damit nicht wirtschaftlich tragen – auch der Nutzen für den Leser und das Geschäftsmodell müssen hinterfragt werden. Technisch reichen die Varianten von HTML-Seiten im Look der Printausgabe bis hin zu PDFs zum Download mit Größen von zig Megabytes. Wer aber will ernsthaft im Original-Layout am Bildschirm blättern? Interessant wäre das vielleicht im Urlaub … aber da wäre der Download per Modem ebenso nervig wie eine HTML-Ausgabe, die ich nur online lesen kann. Sich einen Überblick verschaffen und dann die interessantesten Seiten und Artikel zum Offline-Lesen herunterzuladen – das ist noch weit von der Wirklichkeit entfernt.
Und auch die Mischkalkulation funktioniert nicht wie gewohnt: Um die Dateien auf eine handhabbare Größe einzudampfen, muss man Anzeigen und Abbildungen in reduzierter Qualität einbauen. Aber welcher Anzeigenkunde will schon dafür zahlen, wenn seine Anzeige nicht optimal dargestellt wird? Und „Draufklicken“ ist auch nicht. So gibt es dann die Varianten ohne Anzeigen … nicht nur von Zeitungen sondern auch von Zeitschriften, und oft genug als Download teurer als die Print-Ausgabe am Kiosk … aber dann kann die Rechnung gar nicht mehr aufgehen. Ganz abgesehen davon, dass viele Print-Angebote ja zusätzlich zum kostenpflichtigen E-Paper-Angebot auch noch kostenlos mehr oder weniger umfangreiche Online-Angebote bereitstellen.
E-Paper sucht Abonnenten … verzweifelt. Da hat man fast das Gefühl, es müssten erst die etablierten Vertriebskanäle lahmgelegt werden, um die Leser vom E-Paper zu überzeugen. Zumindest scheint das die Vision des Herausgebers der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ zu sein. Am Dienstag (6.5.) soll in Österreich nämlich gestreikt werden; auch die Zeitungsdrucker wollen mitmachen … und die Zeitungen überlegen, wie sie mit Notausgaben, dem Druck im nahegelegenen Ausland und anderem mehr trotzdem erscheinen können. Im Brief des Herausgebers vom Samstag warf Herr Bronner der Druckergewerkschaft nun vor, der Streik sei für die „angesichts der technologischen Herausforderung (Internet, E-Paper) weltweit ums Überleben“ kämpfenden gedruckten Zeitungen ein „flächendeckender Feldversuch, der, wenn er ‚gelingen‘ sollte, beweisen kann, dass die Zeitungsdrucker bald […] überflüssig sein werden…“ Und deswegen wird „Der Standard“ seine Leserinnen und Leser am Dienstag mithilfe des ab Montag als Test laufenden E-Paper-Produkts derstandarddigital.at informieren.
Na, wir sind gespannt: Leserboom für E-Paper dank Streik? Oder werden die E-Paper-Abos doch eher selbst von den potenziellen Nutzern aufgrund ihres beschränkten Nutzwerts bestreikt?