Der Krieg, die Wahrheit und das Internet
Alle Proteste und Friedensbemühungen waren vergeblich: In der vergangenen Nacht hat der (neue) Irak-Krieg begonnen. Schon vor den ersten Angriffen aber tobte eine andere Schlacht. Die Schlacht um die Medienberichterstattung. Und hieß im letzten Irak-Krieg der eigentliche Gewinner CNN, so könnten es diesmal das Internet sein. Zumindest konzentriert sich das Interesse stark auf die Online-Berichterstattung und die TV-Sender versuchen zu kontern. Doch: Das erste Opfer im Krieg ist die Wahrheit. Diese Binsenweisheit bewahrheitet sich auch diesmal wieder. Berichten kann man nur über das, was man erfährt. Noch schneller, per Satellitentelefon und Notebook direkt auf die Website? Das bedeutet noch weniger überprüfte Informationen, noch mehr Raum für Spekulationen … und noch mehr Druck, als Erste zu berichten.
So, wie es bei der Sportberichterstattung schon Analysen gab, wer welches Tor als Erster meldete, so werden nun die Raketeneinschläge gezählt. Nur mit dem Unterschied, dass dies kein Sport ist. Es geht um Menschenleben … und der Schiedsrichter, der über Tor oder Foul entscheidet, ist nicht in Sicht. So könnte der Wettlauf sich selbst ad absurdum führen – und letztlich auch für die Berichterstatter in einem Eigentor enden. Denn wer unreflektiert berichtet, wird leicht zum Spielball der Kriegsparteien.
Zum Glück verzeiht das Internet Fehler. Eine Meldung, die sich als falsch herausgestellt hat, ist rasch korrigiert oder wieder gelöscht. Unliebsame Kommentare kann man ins digitale Nirwana senden. Hauptsache, es gibt ständig Nachschub an News und Analysen. Das Fernsehen ist da weniger nachsichtig. Und Zeitungen schon gar nicht: Was gedruckt ist, ist gedruckt. Aber ist das wirklich schlecht? Vielleicht sorgt solcherart „Nachhaltigkeit“ ja auch für mehr Qualitätsbewusstsein. Selten war Masse besser als Klasse…