Kein Bezahlen per Handy mehr: Auch Paybox macht System dicht
Gestern kochte die Gerüchteküche bei dotcomtod und heute bestätigt unter anderem der Heise News-Ticker: Paybox stellt das Endkunden-Geschäft in Deutschland ein. Ein Blick hinter die Kulissen…
Paybox (nicht zu verwechseln mit Payback) bot das Bezahlen per Handy an. Das Unternehmen hatte 1 Mio. Kunden, die sich für Bezahlvorgänge mit ihrer (auf Wunsch pseudonymen) Kennung gegenüber dem Anbieter identifizierten und dann auf ihrem Mobiltelefon automatisch vom Paybox-System zurückgerufen wurden. Dort wurde die Transaktion nochmals wiedergegeben und dies mit der persönlichen PIN bestätigt. Anschließend sorgte Paybox dafür, dass das Geld vom Konto des Käufers eingezogen und auf das Konto des Verkäufers gutgeschrieben wird. Die Kombination von Rückruf auf dem eigenen Handy plus Bestätigung per PIN machte das System nicht nur sicher, sondern auch mobil und auf Wunsch anonym. Da es kontobasiert funktioniert, gab es kein „totes Kapital“, wie das beispielsweise bei guthabenbasierten Wertkartensystemen der Fall ist – und es ersetzte Bargeld ebenso wie eine Kreditkarte.
Zudem eignete sich Paybox für einen breiten Rahmen von Transaktionen: Von der Taxifahrt über die Pizzabestellung für wenige Euro bis hin zum Computer-Großeinkauf bei Alternate für Tausende von Euro bot sich Paybox an. Immer wieder wurde der bargeldlose Cola-Automat als visionäres Anwendungsbeispiel genannt, den man z.B. in einigen Universitäten tatsächlich findet. Selbst die Überweisung von Geldbeträgen auf beliebige Konten – als Alternative oder Ergänzung zum normalen (Online-)Banking – war ein Anwendungsszenario des Paybox-Systems. Dafür zahlten die Endnutzer einen Jahresbeitrag von 5,- bzw. später Neukunden 10,- Euro, für Händler war die ganze Sache allerdings deutlich teurer.
Paybox war kein reines Online-Bezahlsystem. Zwar haben verschiedene Online-Shops dieses System als zusätzliche Bezahlvariante eingesetzt, häufig als Alternative zur Kreditkarten- und Nachnahmezahlung. Aber im Grunde spielte das System hier seine eigentliche Stärke der Mobilität kaum aus.
Interessant am Ende des Systems ist auch, dass sich die Deutsche Bank Ende November von Paybox zurückzog, die bis dahin ihren Anteil immer weiter, bis zum Schluß auf 75 Prozent, aufgestockt hatte. Das Endkundengeschäft, das Paybox in Deutschland nun einstellt, geht hingegen in Österreich weiter: Dort ist nicht eine Bank der wichtigste Partner, sondern ein Mobilfunk-Anbieter. Vielleicht passt das besser zu einem mobilen Zahlungssystem, vielleicht aber ist auch der Bedarf nach solchen mobilen Payment-Lösungen überschätzt worden: Die Geldkarte zum Beispiel hat in Deutschland auch kaum Nutzer gefunden (wobei es sich hier um ein guthabenbasiertes System handelt).
Bei Paybox arbeiteten im vergangenen Jahr noch 150 Personen, zum Jahreswechsel waren es 100 – und jetzt sollen bis Ende März noch 20 bis 40 übrig bleiben, die sich vor allem um Consulting und Projektgeschäfte kümmern werden. Die Kündigungen gingen schon raus.
Woran Paybox gescheitert ist? Hier kommen sicher verschiedene Faktoren zusammen. Ich selbst habe das System fast nie verwendet, da mir immer bequemere Alternativen zur Verfügung standen. Die Einsatzmöglichkeiten waren sehr breit gestreut, aber im Grunde auch wieder rar gesät: Wo ist man schon mal – offline oder online – über das Paybox-Symbol gestolpert? Regelmäßige Nutzer waren wohl eher selten – am ehesten vielleicht noch die, die bei ihrem Homeservice oder in ihrem Lieblingsshop immer wieder auf das System zurückgriffen. Paybox-Getränkeautomaten kenne ich auch vor allem aus Österreich … vielleicht haben hier Kooperationen gefehlt. Auch wenn z.B. Mobilfunk-Anbieter auch das Aufladen von Wertkarten per Paybox zum Teil unterstützten.
Interessant aber ist der Part, den die Banken spielen: Paybox ist längst nicht der erste Anbieter neuer Zahlungsformen, der sich zurückziehen musste (CyberCash, Digicash, First Virtual, Millicent und anderen war auch wenig Erfolg beschieden) – und immer wieder haben sich Banken nach groß angelegten Pilotprojekten oder aber wie hier im laufenden Betrieb zurückgezogen. Wer aber, wenn nicht die Banken, kann einem neuen System zum Durchbruch verhelfen? Oder wollen wir vielleicht doch gar keine neuen Payment-Systeme und es sind nur die Verbraucher schuld?
Und noch ein lesenswerter Artikel hierzu: Futurezone über Paybox
Nachtrag: Einen lesenswerten Kommentar zum Thema Krisen-PR am Beispiel Paybox liefert „DonAlphonso“ in DCT.