Comdex: Von Innovationen, Enttäuschungen und dem berühmten Verbraucher
Comdex-Sonntag. Für einen Journalisten purer Stress. Schließlich müssten heute eigentlich alle Stories geschrieben sein, sonst ist die Konkurrenz schneller. Na, zum Glück steht eDings da nicht in Konkurrenz zu Heise, Chip und Co. – oder gar den amerikanischen Kollegen vom PCMagazine, ZDnet oder CNN. Dafür gibt es auf eDings ein paar Background-Stories – auch wenn ich damit Gefahr laufe, demnächst nicht mehr akkreditiert zu werden *g* … Also, für Media&Analysts – wie es hier so schön heißt – hat der Sonntag vor dem offiziellen Comdex-Start mindestens drei Termine: Registrierung im Las Vegas Convention Center (LVCC), Media/Analyst-Preview im MGM Grand Conference Center und entweder die Keynote von Bill Gates in der MGM Grand Garden Arena oder alternativ die Digital & Mobile Focus im Mirage Events Center. Ein wenig Mobilität muss man also schon mitbringen.
Zunächst gilt es, den speziellen Comdex-Ausweis abzuholen. Das sogenannte Bagde ist nichts weiter als ein Plastikkärtchen mit einem Magnetstreifen, auf dem die Kontaktinformationen gespeichert sind. Die meisten Aussteller haben entsprechende Lesegeräte – damit entfällt das leidige Visitenkarten-Handling. Übrigens haben alle, die auf der Comdex rumlaufen, ein solches Badge. Nur im Detail unterscheiden sich die für die „normalen“ Besucher von denen der Aussteller, der Speaker, Journalisten und Analysten. Diese Details aber sind entscheidend dafür, wer wann wohin darf. Und auch bei den Besuchern gibt es noch zahlreiche Unterschiede, je nach dem, ob sie nur die Ausstellung besuchen, am Konferenzprogramm teilnehmen oder zusätzlich bestimmte Tutorial gebucht haben.
Für Media&Analysts gibt es eine eigene Registrierung. Und es gibt eine Media Facility und eine Media Lounge. Netterweise gibt es dort nicht nur Computer mit Internet-Zugang sowie Faxgeräte, sondern auch – wenn man zur rechten Zeit am rechten Ort ist – Getränke und sogar die eine oder andere kleine Mahlzeit. Das ganze wird übrigens in diesem Jahr von Lexmark gesponsert.
Ach ja, die Press Kits liegen dort auch aus … aber immer häufiger bekommt man den Eindruck, dass da viel Papier bedruckt wird, das nie jemand liest. Da ist es schon interessanter, dass Symbol Technologies die Messehallen mit WLAN-Hotspots ausgerüstet hat und auch kostenlos WLAN-Karten verleiht. Zumindest, sofern man sie bis zum Ende der Messe zurückgibt. Sonst wird die Kreditkarte mit 85$ belastet. Der gesamte WLAN-Verkehr läuft übrigens komplett unverschlüsselt ab, Symbol empfiehlt den Einsatz eines VPN. Doch zurück zu den Journalisten: In der Media Facility gibt es einen eigenen Hotspot.
Wer jetzt pünktlich um 11am zum Start der Media-Registration sein Badge abholen wollte, durfte sich erst mal in eine lange Schlange anstellen. Nach einer guten halben Stunde hat man dann sein Badge, seinen Media Companion und den Program&Exhibits Guide in den Händen und kann sich wieder angenehmeren Dingen widmen. Den Sandwichs in der Media Lounge zum Beispiel. Und da zeigt sich dann auch zum ersten Mal, dass manche Journalisten ziemlich verfressen sind. Zehn Minuten später ist von den gefüllten Tabletts nämlich nur noch ein Schlachtfeld übrig geblieben. So ist das eben. Nebenan, nämlich in den Ausstellungshallen, tobt derweil eine ganz andere Schlacht: Aussteller, Messebauer, Gabelstapler und Fahrräder kreuz und quer – wer so etwas nicht kennt würde nie erwarten, dass da bis morgen früh funktionsfähige Stände entstehen und das gesamte Chaos beseitigt ist.
Nun gut, ein paar Stunden später, genauer gesagt um 4.30pm, findet im MGM Grand Conference Center ein von Key3Media, dem Veranstalter der Comdex, organisiertes Panel statt, bei dem einige wichtige Herren (mal wieder wurde keine Dame eingeladen) ihre Einschätzung der Branche und der Comdex-Innovationen in zehnminütigen Statements präsentieren. Vorher gibt es für die Pressevertreter übrigens warme Häppchen, recht lecker sogar. Dann die Veranstaltung. Alle sind sich einig: die Krise ist da, aber es gibt Licht am Horizont. Natürlich lobt der Veranstalter die Besucher als die qualifizierten Fachbesucher, die eine IT-Messe in Nordamerika hat. Und er kritisiert die Unternehmen, die zwar in Las Vegas sind, die aber nicht als Comdex-Aussteller auftreten. Und damit spricht er einen Trend an, der schon seit Jahren zu beobachten ist. Der Show Floor bzw. die Exhibits werden immer weniger wichtig. Die Unternehmen mieten Suiten in den großen Casinos und laden dorthin ein. Allerdings nicht jeden – sondern nur ausgewählte Kunden, Analysten und manchmal auch Journalisten. Und längst nicht über alles, was man dort hinter verschlossenen Türen sieht und hört, darf man auch veröffentlichen. Klar, dass dieser Trend K3M nicht passt. Klar, dass diese Unternehmen die Infrastruktur der Comdex nutzen, ohne an den Veranstalter zu zahlen. Die Mission: Bring them back to the Comdex community! Viel Erfolg…
Nun, zum Glück besteht die Comdex nicht nur aus der Ausstellung. Im Grunde gibt es drei wichtige Grundpfeiler: die Keynotes der VIPs der Branche, das umfangreiche begleitende Konferenzprogramm und dann eben die Ausstellung selbst. Das eben unterscheidet die Comdex auch grundlegend von der CeBIT oder der Systems.
Die Panelmitglieder (unter anderem von NEC, IBM, IEEE, …) reden viel über Strategien und Wege aus der Krise. Über neue Trends wie autonomic computing, das semantische Web und den nächsten Level der Innovation. Zugleich aber müssen sie zugeben, dass nicht nur das Geld für Investitionen fehlt, sondern auch das Vertrauen. Wir alle haben in den vergangenen Jahren Szenarien ausgemalt, die sich einfach nicht bewahrheitet haben. Überall konnte man vom Y2K-Problem lesen – und letztlich waren die „normalen“ Leute fast enttäuscht, dass keine Autos stehen geblieben, keine Flugzeuge vom Himmel gefallen und keine Konten verschwunden sind. Und wir haben erzählt, dass das Internet alles andere überflüssig machen würde. Wozu noch Läden? Man kann doch online alles einkaufen! Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen: Das fallen einem beispielsweise hochfliegende CRM-Projekte ein, die anders als die Flugzeuge sehr wohl aus großer Höhe in den Boden gerammt wurden. Oder Aktienkurse, die das gleiche erleben durften. Das Problem ist: Das Vertrauen ist weg!
Doch was kann man dagegen tun? Neue Innovationen? Die werden sich nur dann am Markt etablieren können, wenn vorher der Value und der Return nachgewiesen werden können. Dabei ist der Bedarf da. Ein Panel-Mitglied sprach beispielsweise von einer Untersuchung in Top-500-Companies, die an den Tag gebracht hat, dass dort durchschnittlich 350-450 unterschiedliche Datenbanken im Einsatz sind, um Kundendaten zu speichern. Diese Datenbanken sind zueinander nicht kompatibel, sie sprechen nicht miteinander. Enorme Redundanzen und widersprüchliche Datensätze stecken in den Datawarehouses – kein Wunder, wenn da CRM nicht ohne weiteres funktioniert. Oder die Systeme, die selbst immer komplexer werden, und die in den Visionen der letzten Jahre auch noch miteinander vernetzt werden sollten.
Das Schlagwort „Microwave Computing“ machte die Runde: Bevor die Vernetzung voranschreiten kann müssen die einzelnen Systeme einfacher und zuverlässiger werden – meine Mikrowelle funktioniert immer, bei der muss ich keinen Neustart versuchen und einen Reset durchführen. Letzten Endes muss sich daher alles am Nutzen, an der Produktivität und an den Ergebnissen messen lassen. Hat man sich in den vergangenen Jahren an Produkten orientiert, so sind jetzt Lösungen und Business Value gefragt. Es darf nicht dem Kunden überlassen werden, einen Kauf im Nachhinein für sich selbst zu rechtfertigen! Zum Schluss gab es zwar kaum neue Einsichten, dafür aber den Anspruch, dass die Comdex hier die Plattform sein will, die die verschiedenen Partner und Player zusammenbringen will. Auf zu neuen Ufern!
Ach ja, und dann wurden noch die Eintrittskarten für die Gates-Keynote an die Presse verteilt. Mit dem kleinen Bonus der anhängenden Einladung zur großen Comdex Premiere 2002 „Fall into the Celebration“-Party im Anschluss an die Keynote. Was dann Termin vier auf der Tagesordnung werden könnte. Zunächst aber bin ich mal abgerauscht ins Mirage zur Digital&Mobile Focus – quasi einer Minimesse nur für Journalisten und Analysten. Aber davon beim nächsten Mal mehr. Und auch von dem Aussteller, der mir beim Smalltalk sagte, es sei schon erschreckend wenn man sich vor Augen führt, dass die Menschen eigentlich nichts von den hier ausgestellten Dingen wirklich brauchen.