Comdex: Impressionen vor dem Start
Las Vegas, Mitte November. Der Freitag vor der Comdex. Strahlend blauer Himmel. Kein Wetter für Anzug und Krawatte. Die Stadt präsentiert sich wie immer. Die Touristen auf dem Strip schleppen sich von einem Casino ins nächste. Die Locals produzieren zu den Hauptverkehrszeiten die üblichen Staus. Am McCarran Airport starten und landen die Flugzeuge im Minutentakt. Und auf den Straßen dominieren Autos mit fremden Nummernschildern. Alles vertraut. Und doch ist etwas anders… Zunächst fällt auf, dass weniger Besucher unterwegs sind als sonst. Die Hotels und Casinos haben massenhaft freie Zimmer. Und dass in wenigen Tagen hier die Comdex stattfinden soll – die größte IT-Messe auf dem amerikanischen Kontinent, die mit dem qualifiziertesten Publikum überhaupt (so zumindest die Veranstalter) – davon merkt man in diesem Jahr nichts. Ja: auch in der kommenden Woche sind die Zimmerpreise moderat. Wenn man da zurückdenkt: vor drei, vier Jahren waren Zimmer zur Comdex unbezahlbar. All das deutet darauf hin, dass wohl niemand mit Besucherrekorden rechnet. Auch wenn man gute Miene zum bösen Spiel macht. Zu Hause in Deutschland kann man lesen, dass der Veranstalter Key3Media in argen finanziellen Schwierigkeiten steckt. Ja, es wird sogar spekuliert, dies könne die letzte Comdex in der bisherigen Form sein … und das im 23. Jahr.
Im letzten Jahr war die Comdex nach den September-Anschlägen arg gebeutelt. Aber seien wir ehrlich: schon davor machte sich die schlechte Konjunktur bemerkbar. Und es scheint, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Große Namen werden der Messe fern bleiben. Und überhaupt: die Ausstellung ist zweitrangig. Wirklich interessante Dinge passieren – wenn überhaupt – an anderen Stellen. Ganz früher waren das die legendären Partys, bei denen die Pioniere der Branche nach die Sau rauslassen konnten. Aber diese Zeiten sind längst vorbei – selten gab es so wenige Comdex-Partys wie heute. Das Konferenzprogramm und die Keynotes waren auch immer mal für das eine oder andere Highlight gut. Das wird wohl so bleiben. Aber in den letzten Jahren hat sich das eigentlich Geschehen immer mehr auf die Casinos am Strip verlagert.
Nein, nicht was Sie jetzt vielleicht denken. Glücksspiel und Entertainment hatten noch nie Hochkonjunktur, wenn die Comdex in der Stadt war. Shows blieben früher in dieser Woche dark, also spielfrei – bezeichnend, dass dies kaum noch der Fall ist. Die Casinos hoffen auf die Nicht-Comdex-Besucher. Aber sie haben es auch verstanden, sich auf eine andere Art ihr Stück vom Comdex-Kuchen abzuschneiden: Unternehmen, die etwas auf sich halten und es sich leisten können, laden ausgewählte Kunden, Analysten und Medienvertreter nämlich mittlerweile in die eigene Suite. So gibt es zahllose Mini-Hausmessen – dort wird präsentiert, was erst in ein paar Monaten serienreif ist. Wen interessieren schon die normalen Ausstellungsbesucher? Das wird sich auch ab Montag auf der Exhibition zeigen, wenn man vielfach auf den Comdex-Ständen nur irritiertes Achselzucken erntet, falls man ein wenig nachfragt. Das Standpersonal hat oft nur die Aufgabe, die Kontaktdaten einzusammeln und Informationsmaterial zu verteilen. So allerdings ist es schon seit Jahren.
Sicher – es gibt auch viele kleinere Unternehmen, bei denen sich die CEOs und Entwickler selbst die Ehre geben. Aber die Musik spielt woanders. Journalisten werden erschlagen von Einladungen in irgendwelche Hotel-Suiten, in denen selbst die Unternehmen vertreten sind, die dieses Jahr der Comdex fern bleiben. Dass sie trotzdem zufällig zu diesem Termin nach Las Vegas laden – ein Schelm, wer böses dabei denkt.
Die Comdex selbst wird wieder mit dem üblichen Zeremoniell eröffnet werden – der alljährlichen Keynote von Bill Gates, die allen Comdex-Besuchern offen steht. Die Microsoft-Website dazu: In his annual „state of the industry“ speech at COMDEX Fall 2002, Microsoft Chairman and Chief Software Architect Bill Gates showcases…
Ja, diesmal wird er über smart objects reden. Und seit dem vergangenen Jahr findet diese Keynote auch nicht mehr im Hilton, sondern in der MGM Garden Arena statt. Es steht zu erwarten, dass es die Platzprobleme, die es vor zwei Jahren noch gab, als Bill Gates das Konzept des Tablett-PC vorstellte, dieses Jahr nicht geben wird. Ach ja … und das ist dann doch ein wenig tröstlich: Die damals vorgestellten Tablett-PCs kann man tatsächlich seit ein paar Tagen bei CompUSA und Co. kaufen. Zwei Jahre, in denen die Branche um manche Erfahrung reicher und etliche Illusionen ärmer geworden ist.