Mit Fakes gegen Spam? (Update)
Der Schockwellenreiter tritt mit einer Aktion „Stop Spam through Address Pollution“ auf den Plan. Die Idee von Jörg Kantel ist auf jeden Fall originell – er schlägt nämlich vor, die Spammer mit den eigenen Waffen zu schlagen… Vereinfacht lautet die Idee, dass Blogger und andere Website-Betreiber täglich neue gefakte Mailadressen in ihre Seiten einbauen. Das Skript, das so etwas automatisch erledigen kann, gibt es gleich dazu. Gleiches könnte man in Newsgroups und Mailinglisten in abgeschwächter Form nutzen. Nun kommen die Spambots und finden all dieses schöne, aber verseuchte Futter – und wenn viele mitmachen und es lange genug durchhalten, dann verstopfen die ganzen falschen Mailadressen die Tools der Spammer, ihre Waffen werden stumpf.
Soweit die Idee. Damit das funktioniert, müssen die generierten falschen Mailadressen natürlich wie echte aussehen, echte Toplevel-Domains (TLDs) besitzen und auch sonst nicht einfach zu entlarven sein. Der Schockwellenreiter macht für diesen Fall eine einfache Rechnung auf: Wenn 1.000 Leute mitmachen und über 10 Tage jeweils 20 gefakte Mailadressen erzeugen, dann schlucken die Spambots schon 200.000 unbrauchbare Mailadressen. Jörg Kantel dazu: Lange genug durchgehalten, dürfte dies das Verhältnis von nutzbaren Adressen zu Fakes so umkehren, daß die Adressbücher der Spammer unbrauchbar werden. Und er ruft dazu auf, möglichst auf breiter Front mitzumachen, warnt aber auch: Die Aktion müßte schnell vonstatten gehen und sollte auch nicht über einschlägige Anti-Spam-Mailinglisten oder -Webseiten verbreitet werden – die lesen die Spammer auch.
Irgendwie finde ich die Aktion ja durchaus unterstützenswert. Wer ärgert sich schließlich nicht über den tagtäglichen Spam in seiner Mailbox. Aber ein paar Zweifel bleiben dann doch:
Zunächst mal ist mir nicht klar, wie die Aktion bekannt werden und gleichzeitig vor den Spammern geheim gehalten werden soll. Und ich fürchte, man macht eher einen Job für die Spammer als gegen sie. Schließlich werden die Spambots nicht nur eingesetzt, um Spamadressen selbst zu verwenden, sondern auch um sie auf CDROMs zu pressen. Den Verkäufer stört es nicht, wenn darunter Fakes sind. Und auch die Spammer interessieren sich für die Rücklaufquote nicht – die Absenderadressen sind ja in aller Regel eh gefälscht. Was macht es also, statt 1 Mio. Spams nun 2 Mio. zu verschicken? Die vorhandenen gültigen Mailadressen bleiben ja gültig… Auch könnte es durchaus sein, dass aus Versehen tatsächlich existierende Domains generiert werden – da würde sich der Postmaster dann sehr freuen. Wenn man bedenkt, dass real existierende TLDs verwendet werden müssen, ist es gar nicht so unwahrscheinlich, dass die verrücktesten Buchstabenkombinationen zu realen Domains führen. Auch fürchte ich, dass besonders bei Mailinglisten und Newsgroups die gefakten Adressen zur Verwirrung unbedarfter Nutzer führen könnten … denn die müssen ja unterscheiden können zwischen echten & falschen Adressen. Für Websites empfiehlt Jörg Kantel den Einbau der gefakten Adressen in HTML-Kommentare, was aber für die Spambots ein einfaches Erkennungsmerkmal wäre („Mail-Domain ungleich Webdomain – dann als Fake auffassen“).
Vor allem aber frage ich mich, ob die Aktion nicht am falschen Ende ansetzt. Für einen Spammer ist es nach wie vor trivial, an gültige Mailadressen zu kommen. Man suche nur mal in Google nach „@t-online.de“ oder „@gmx.at“. Mehr Adressen bedeuten einfach mehr „Handelsware“ für die Spammer. Deren Adressbücher werden nicht unbrauchbar, weil sie ja wegen der gefakten Absenderkennung die unzustellbaren Mails gar nicht zu Gesicht bekommen. Sie werden eher ob der zunehmenden Größe scheinbar noch „wertvoller“. Schließlich muss es auch für die Spammer ein Geschäftsmodell geben – und das ist in der Regel nicht der zustande gekommene Verkaufsabschluss aufgrund eines Spams, sondern die Bezahlung durch einen Auftraggeber für den Versand oder aber den Verkauf von Adressbeständen.
Update:
Jörg hat auf meine Fragen umgehend reagiert – vielen herzlichen Dank für die Mühe! Hier seine Anmerkungen:
1. Ich sprach davon, die Aktion nicht über die _einschlägigen_ Mailinglisten und Webseiten zu verbreiten. Gegen eine Verbreitung via „normaler“ Seiten, wie eben Weblogs oder Newsdienste habe ich nichts – im Gegenteil, ich bitte sogar darum. :o)
2. Die Anzahl der zu versendenden Spam-Mails ist keinesfalls nach oben offen. Vielfach werden Spams via „gehijackten“ Rechnern oder über Billigprovider verschickt. Im ersten Fall ist die Gefahr, dass durch das hohe Bouncing nicht zustellbarer Mails der Sysadmin als Relay-Station missbrauchten Rechners zu früh aufmerksam wird, im zweiten Fall wird vielfach durch hohes Bouncing der ‚disquota‘ überzogen und ebenfalls der Sysadmin zu früh aufmerksam.
Daraus schließe ich, dass die Qualität der Mailadressen den Spammern keinesfalls egal sein kann. Außerdem wird nach Stückzahl bezahlt und wer zahlt schon für Schrott?
3. Die Gefahr, tatsächlich existierende Domains zu generieren, halte ich fuer äusserst gering. Der Generator erzeugt die Domains mit Hilfe von gleichverteilten Zufallszahlen (also eine Art Lasswitzscher Affe) und die Wahrscheinlichkeit, dass daraus etwas „Sinnvolles“ entsteht, liegt – wie Lasswitz schon zu Anfang des Jahrhunderts berechnet hat – nahezu gegen Null.
4. Ich empfehle _nicht_ den Einbau zwischen HTML-Kommentaren, er ist nur eine Notlösung fuer Webmaster, die mitmachen wolllen ohne sich das Layout zu verhageln. Auch hier sollte man – wie auch in anderen Fällen – phantasievoll walten, um den Spambots das Leben zu erschweren (z.B. viel zusätzlicher, sinnloser Text in den Kommentaren
Natürlich weiss ich nicht, ob diese Aktion Erfolg hat. Das habe ich aber auch geschrieben. Ich glaube aber, dass durchaus reale Chancen bestehen, den Spammern zumindest für einige Zeit das Leben schwerer zu machen.
Übrigens: Auch für das Sunlog gibt es mittlerweile eine Implementierung des Verfahrens von Jörg sowie eine Stellungnahme von Andreas … für andere Blogs etc. frage man seinen Programmierer oder schaue beim Schockwellenreiter.