Die Werbung und das Hochwasser
Eben hat Markus für die Galileo-Aktion zu „Weniger ist Mehrwert“ einen kleinen Text zum Thema „neues“ Marketing geschrieben. Das hat mich ganz kribbelig gemacht, denn ich werde in den letzten Tagen immer ganz aggressiv, wenn ich mir anschaue, wie zynisch manche Unternehmen auf mich wirken, deren Werbung in den Werbepausen zur Berichterstattung über die Flutkatastrophe läuft. Zum Glück gibt es auch Ausnahmen…
Ehrlich: ziemlich geschmacklose Beispiele gibt es viele. Da wäre Calgonit zu nennen – die zeigen da eine Hausfrau, deren Waschmaschine einen Defekt hat und die Waschküche unter Wasser setzt … sicher in normalen Zeiten ziemlich ärgerlich, aber wenn Abertausende ihre Häuser überflutet wissen? Und dann gibt es hier die Werbung mit den „Weiße Wäsche Wochen“ – wer knietief im Schlamm steckt, hat dafür sicher kein Verständnis. Und so weiter, und so fort.
Ich will hier gar nicht einzelne Firmen bzw. deren Werbepartner beschimpfen – ich frage mich nur, wer da so unsensibel ist. Vielleicht liegt es ja auch nur daran, dass Werbung längst zur Routine geworden oder die Arbeitsteilung zu groß geworden ist. Vielleicht sind die Werbebuchungen zu unflexibel. Oder vielleicht fühlt sich einfach niemand mehr verantwortlich?
Was auch immer. Ich bin überzeugt davon, dass Unternehmen, die sensibel reagieren und die Situation der Betroffenen ernst nehmen, davon langfristig auch wirtschaftlich profitieren können. Wer sich aber über das aktuelle Geschehen einfach hinweg setzt und zur Tagesordnung übergeht, verliert entscheidende Sympathiepunkte. Natürlich muss jedes Unternehmen Geschäfte machen, das steht außer Frage. Aber es ist eben die Frage, wie…
In Österreich ist etwas ganz Interessantes passiert. Am Dienstag gab es auf der ersten Seite der Tageszeitung „Der Standard“ eine (auch so gekennzeichnete) bezahlte Anzeige mit dem Text
Katastrophen sind nicht vorhersehbar…
und dem Hinweis in kleiner Schrift „Näheres im Blattinneren auf Seite 3“.
Dort, auf Seite 3, wiederum eine ganzseitige Anzeige als offenen Brief mit folgendem Wortlaut:
EADS – European Aeronautic Defense and Space company
Offener Brief
Liebe Österreicherinnen und Österreicher!
Die Flutkatastrophe erschüttert das Land. Fassungslos und zutiefst berührt stehen wir alle vor den Bildern des Grauens: Flüchtende Menschen, ihres ganzen Hab und Gutes beraubt; zerstörte Häuser, vernichtete Infrastrukturen; Flurschäden, die sich noch lange auswirken werden – Szenen, die wir sonst nur aus Kriegsgebieten kennen.
Katastrophen sind nicht vorhersehbar. Die Natur zeigt ihre Urgewalt, wann und wo immer sie will. In diesen Zeiten müssen die Menschen zusammenrücken, gemeinsam sofort und langfristig helfen.Auch wir von der EADS, dem Hersteller von Produkten wie Airbus, ÖAMTC-Hubschraubern und Eurofighter, beteiligen uns zusammen mit unseren Eurofighter-Partnern im Rahmen unserer Möglichkeiten an Hilfsmaßnahmen. Während in unseren Betrieben Spenden gesammelt werden, haben wir von der Unternehmensleitung beschlossen, einen Großteil unserer seit Wochen geplanten Eurofighter-Informationskampagne in den Medien zu stoppen. Zugunsten all jeder Organisationen und Einrichtungen, die jetzt konkret Schutz und Hilfe bieten.
Schutz und Hilfe – der Leitsatz des österreichischen Bundesheeres, den die Soldatinnen und Soldaten seit Beginn der Überschwemmungen verwirklichen: Rund um die Uhr helfen, retten, bergen und sichern Angehörige des Bundesheeres an der Katastrophenfront.
Hierzu wollen auch wir, die EADS mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, einen Beitrag leisten!
Wien, im August 2002
Aloysius Rauen
Leiter EADS Militärflugzeuge
Und heute gab es dann, wieder auf den Seiten 1 und 3 (dort ganzseitig), einen Spendenaufruf der KÖF (Katastrophenhilfe Österreichischer Frauen) … mit dem klitzekleinen Hinweis „Dieser Anzeigenplatz wurde kostenlos von EADS/Eurofighter zur Verfügung gestellt“. Finde ich doch irgendwie bemerkenswert!
BTW: Wer in/für Österreich spenden möchte: Spendenkonten der KÖF: PSK-Kto-Nr. 2,400.000, BLZ 60.000 oder ERSTE BANK-Kto-Nr. 04830830, BLZ 20111. Spendenübersicht für Deutschland siehe unten.
Übrigens ist dies nicht die einzige Maßnahme, mit der EADS aktiv wird, wie ein Blick auf die Homepage und die Pressemitteilungen zeigt. Frei nach dem uralten Motto: Tue Gutes und rede darüber! Was ja nicht verwerflich ist. Nichts tun und zur Tagesordnung überzugehen ist weniger „nett“.