Nicht nur online: Gesellschaftsspiel Kunden vergraulen
Kennen Sie den Unterschied zwischen einem Ladendieb und einem Kunden? Eine Kassiererin mit Detektiv-Ambitionen beim „Medio-Markt“ offenbar nicht…
Normalerweile ärgere ich mich ja vor allem über Online-Shops, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, ihre Kunden zu vergraulen. Aber man erlebt doch immer wieder, dass alles noch übertroffen werden kann … aber ich hätte gewarnt sein sollen: „Medio-Markt? Ich bin doch nicht blöd!“
Freitagnachmittag, draußen regnet es in Strömen. Gelegenheit für einen kleinen Abstecher zum Elektronikmarkt: Man gönnt sich ja sonst nichts. Und tatsächlich finde ich ein paar DVDs, zum Teil für mich, zum Teil für einen Bekannten. Also nur noch in eine der Kassenschlange anstellen, bezahlen, die Beute sicher vor dem Regen verpacken und ab nach Hause.
Die Schlange bewegt sich schneller als erwartet, die EC-Karte wird problemlos akzeptiert, die Kassierin wünscht mir sogar noch einen schönen Abend. Hinter der Kasse ein Ständer mit den rotschwarz bedruckten Plastiktüten … netter Service für die Kunden.
Ich nehme mir eine, überlege dann aber, dass ich besser zwei Päckchen packe, schließlich ist nicht alles für mich … und draußen regnet es stark.
„HEE, SIE DA!!!! SIE DA DRÜBEN!!! EINE TÜTE PRO KUNDE, JEDE WEITERE KOSTET 30 CENT!“ … das Geschrei von der Nachbarkasse habe ich am Anfang gar nicht auf mich bezogen. Aber jetzt richten sich etwa 80 Augenpaare auf mich. Tütendiebstahl!!!!!!!!!!! (Dabei habe ich noch gar nicht zugegriffen – aber der Gedanke allein ist wohl schon strafbar … Ökoterrorismus wohl, das wird mit der Höchststrafe geahndet!)
Und nun? Leider eignet sich der Fußboden nicht, um darin zu versinken. Also muss irgendetwas anderes her. Und verdammt: Ich bin unschuldig! (Das glaubt mir eh keiner mehr … denn so eine Kassierin ist eine Respektsperson!)
Also muss rasch eine neue Taktik her: Gegenangriff! In der gleichen Lautstärke gebe ich zurück: „Meinen Sie mich? Können Sie mir sagen, wo das steht? Haben Sie schon mal was von Preisauszeichnung gehört?“ — „DAS IST ÜBERALL SO. WENN SIE MEHR TÜTEN WOLLEN, KAUFEN SIE SIE GEFÄLLIGST!“ (He, wenn ich die DVDs einzeln gekauft hätte, hätte mir dann für jeden Bezahlvorgang eine Tüte zugestanden? Aber ich komme gar nicht dazu, das Argument anzuführen.
Schnell stelle ich fest, dass der Kunde hier ein sehr einsamer und kleiner König ist. Jetzt schaltet sich nämlich jemand an der Info ein. „was ist denn los?“ – „Der Kunde nimmt sich einfach mehrere Tüten!“ – „Kommen Sie mal her!“
Als reuiger Sünder, mit meinen Einkäufen bewaffnet und einer Tüte komme ich also zur Info. „Was wollen denn Sie, und machen Sie hier nicht so einen Aufstand, die Kunden haben für Ihr Verhalten auch kein Verständnis!“ Wow – das ist ja „Customer Support“ pur: Der sorgt sich gleich mal um die anderen Kunden, weniger darum, dass ich hier wie ein Ladendieb behandelt werden. Für ein Vergehen, dass ich weder begangen habe noch verstehe (denn diese Tüten sind definitiv nicht ausgezeichnet und liegen hinter der Kasse).
Ach, was bin ich doch naiv: Hätte ich doch erwartet, dass nun irgendwer seinen Fehler einsieht und eine Lösung findet, bei der beide Seiten das Gesicht wahren! Es geht um (eigentlich nicht mal) 30 Cent, und noch dazu habe ich ja nur die eine Tüte, die mir effektiv zusteht… Aber nichts dergleichen. Meine Art sei unmöglich und auf solche Kunden könne man gerne verzichten, wird mir erklärt.
Dumm. Ziemlich dumm! Auf die Frage, ob er das ernst meine und dass ich dann seinen Chef sprechen wolle hieß es nur noch, ich solle hier nicht frech werden. Im Gegenzug habe ich dann ganz brav meine Waren zurückgegeben und mir das Geld auszahlen lassen. Die Kunden zahlen das Gehalt dieses Personals. Mag sein. Aber ich bin sicher so schnell kein Kunde mehr dort. Denn dazu, solches Personal zu unterstützen, ist mir mein Geld zu schade.
Der Aufwand der Rückgabe und Auszahlung war übrigens entsprechend aufwendig und langwierig. Aber die Kosten dafür zahlt ja der Laden … und damit die anderen Kunden. Merke: lieber ein wenig mehr Kulanz gegenüber den Kunden – und entsprechend mehr Umsatz, als vergraulte Kunden, mehr Aufwand und weniger Umsatz. Der Markt hat jedenfalls viel Arbeit mehr und einen nichtgeringen Umsatz weniger … und das bei 30 Cent für eine nicht gegönnte Plastiktüte.