Amazon und die eBooks
Das Gute zuerst: Der eBook-Reader von Amazon nutzt die Technologie von eInk. Das bedeutet ein ultrascharfes Display und sehr lange Akkulaufzeiten, denn anderes als bei normalen LCDs, bei denen das Bild zigmal pro Sekunde neu aufgebaut werden muss, ist eInk wie „elektronisches Papier“: Das Bild wird einmal aufgebaut und „steht“ dann bis zum nächsten Bildwechsel. Das kann man sich ungefähr so vorstellen, als wenn kleine Heinzelmännchen blitzschnell kleine Kügelchen drehen, die auf der einen Seite schwarz, auf der anderen weiss sind. Jedes Kügelchen ein Bildpunkt und jedes Kügelchen bleibt in seiner Lage, solange es nicht wieder gedreht wird. Naja … so ähnlich.
Kindle hat nicht nur schwarz und weiss, sondern kann 4 Graustufen darstellen. Und Kindle zeigt immer eine Seite eines Dokuments an – scrollen ist nicht vorgesehen (und wohl auch keine Stärke der eInk-Technologie). Da nur für den Bildwechsel („Page Flips“) Energie benötigt wird, ist das Gerät ziemlich energiesparend. Es hat aber auch keine Hintergrundbeleutung – Lesen im Bett ist also nur mit eingeschaltetem Licht möglich.
Der/die/das Kindle hat die Größe eines Taschenbuchs, ist superleicht und hat links und rechts ein paar große Tasten, um weiter- und zurückzublättern. Es gibt auch eine Tastatur, die mit den Daumen bedient wird (SMS lässt grüßen) und mit der z.B. elektronische Bücher durchsucht werden können, aber auch neue Bücher gekauft werden können (ohne PC-Anbindung) und anderes mehr. Der Speicher lässt sich per SD-Card erweitern, der Akku ist wechselbar, der Kindle ist binnen 2 Stunden geladen und soll dann 30 Stunden und mehr durchhalten.
Toll. Wäre da nicht die Hürde von 399$, wollte ich jetzt einen haben. Aber einerseits gibt es das Gerät nur in den USA. Und zum anderen habe ich Ihnen bislang nur die erfreulichen Dinge erzählt.
Dumm ist nämlich, dass der Kindle ein reines Buchlesegerät ist. Kein E-Mail-Empfang, ein rudimentärer Webbrowser, der als experimentell gekennzeichnet ist, Webseiten nur bildschirmweise in Graustufen darstellt (kein Scrollen, nur Blättern!), der sich nicht auf Multimedia und Co versteht und der wenig Spaß macht. Keine Kindle-Anwendungen, mit denen man das Gerät erweitern könnte, keine Spiele, nix. Mein PDA kann mehr.
Dazu kommt ein proprietäres DRM-System. Klar: Ich soll ja als Kunde meine eBooks bei Amazon kaufen. Aber kein nativer PDF-Support. Und was mache ich mit gekauften eBooks, wenn der Kindle mal nicht mehr mag? Ich habe schon mal ein „Regal voller e-Fachbücher“ verloren, die ich zwar erworben hatte, die aber nur für den jeweiligen PC freigeschaltet waren. Als ich den Rechner wechselte, war der Anbieter mittlerweile entschwunden – und meine Files nicht mehr freischaltbar.
Natürlich kann der Kindle nichts dafür, dass eBooks bestimmte Nachteile haben – ich lese trotzdem immer wieder welche … aber am liebsten als unverschlüsselte PDFs und auf dem Endgerät meiner Wahl. Der Kindle kann Bücher in verschiedenen Schriftgrößen anzeigen, sie durchsuchen, das Layout automatisch dem Screen anpassen und mehr. Amazon speichert meine eBooks zudem auf deren Server, so dass ich die Bücher auf dem Gerät problemlos löschen und später wieder runterladen kann. Und ich brauche wirklich keinen PC. Der Kindle nutzt aber auch nicht WLAN … nicht überall verfügbar, nicht zuverlässt, meint man bei Amazon. Dafür nutzt er … Mobilfunk … (schon wieder einer). Und zwar kommt er mit einer Sprint EV-DO Kommunikation. Nie gehört? Kein Wunder: Die Technik ist bei uns quasi unbekannt. Für Kindle-Käufer in den USA sind damit keine monatlichen Kosten verbunden, sie können mit dem Kindle im Kindle-eBook-Store jederzeit neue Bücher kaufen und sogar begrenzt surfen … alles ohne Kosten für die Datenübertragung.
Aber EV-DO behindert die Verbreitung des Gerätes in Europa. Und sorry: Die meisten Käufer, die bereit wären, 399$ für Kindle auszugeben, haben wohl auch einen PC (oder Mac) und vermutlich auch viele WLAN. Aber WLAN verträgt sich auch nicht gut mit langer Akkulaufzeit. Naja. Zwangs-DRM mit Zwangs-Bindung an Amazon mag ich auch nicht wirklich (naja, wenn man mir den Reader schenken würde und ich nur für die eBooks zahle, würde ich mich vielleicht schlagen lassen). Vielleicht sollte ich aus den USA ein gehacktes iPhone zum gleichen Preis importieren und auf die Handy-Funktionen verzichten, dafür dort meine eBooks lesen?
In der Summe ist der Kindle eine nette Studie, die aber am Preis und an den Nutzereinschränkungen krankt. In der Preiskategorie sind Mini-Notebooks, Smartphones und PDAs zu haben, die mehr können und den Nutzer weniger gängeln. Die Displays und Akkulaufzeiten sind nicht so toll. Aber vielleicht wird das ja irgendwann mal?