Comdex: Stifte gezückt!
Irgendwie fühlte ich mich in den vergangenen Tagen in Las Vegas immer wieder an alte Zeiten zurückerinnert. Beispielsweise an die Keynote von Bill Gates vor zwei Jahren, als er das Konzept des Tablet PC der Öffentlichkeit präsentierte. Nun, zwei Jahre später, sind die ersten Geräte tatsächlich verfügbar und ich hatte Gelegenheit, ein wenig damit herumzuspielen. Ob die Geräte wirklich schon für den Massenmarkt taugen? Nicht nur ich habe da so meine Zweifel. Auf der anderen Seite habe ich mich an meinen ersten Apple Newton und die Versprechungen bei dessen Einführung erinnert, als ich die vollmundigen Aussagen der diversen PDA-Anbieter las, warum gerade ihr Modell unbedingt gebraucht werde und zudem eine viel bessere Investion sei als ein Tablet PC… Zugegeben: Die Kosten, gerade in den USA, für einen PDA sind ziemlich gering im Vergleich zu den Preisen für die Tablet PCs. Und die Auswahl an Geräten ist hier weitaus größer als in Deutschland. Interessant zu beobachten ist dabei, dass der Kampf der Betriebssysteme – Palm OS gegen Pocket PC – immer mehr zugunsten des Windows-Ablegers ausschlägt. Zwar haben Palm und Sony Geräte mit dem neuen Palm OS 5 im Programm, aber die Geräteauswahl auf der Pocket PC-Seite ist deutlich größer. Nun ist auch noch Dell hinzu gestoßen und hat auf der Comdex zwei eigene PDAs vorgestellt. Das Spitzenmodell ist mit 400 MHz getaktet und hat 64 MB Hauptspeicher, das Einsteigermodell 300 MHz und 48 MB. Beide haben sowohl einen SD- als auch einen CF-Slot, einer Erweiterung steht damit nichts im Wege. Besonders interessant ist allerdings der Preis, der auf der Comdex nach 50$ Mail-in-Rabatt 299$ bzw. 199$ beträgt.
Dabei geht die Entwicklung der PDAs in zwei Richtungen: Im Highend-Segment setzt man immer mehr auf die Integration von Wireless-Lösungen. Das kann Bluetooth sein, verstärkt aber auch WLAN oder auch ein GSM-Modul. Leider belastet das, zusammen mit dem heute üblichen Farbdisplay, recht stark den Stromverbrauch, so dass die meisten PDAs gerade mal Laufzeiten von 6 bis 8 Stunden erreichen (und das bei ausgeschalteter Hintergrundbeleuchtung). Für einige PDAs gibt es zudem Kameramodule, die die Flexibilität weiter erhöhen. Und hier in den USA bieten zahlreiche Anbieter auch externe Tastaturen für die unterschiedlichen Geräte. Auch das Software-Angebot kann sich sehen lassen – sowohl bei Palm OS als auch bei den Pocket-PC-2002-Modellen stehen Anwendungen für jeden denkbaren Zweck zur Verfügung – nur findet man sie nicht immer im Laden um die Ecke.
Und da sind wir dann auch gleich bei den größten Nachteilen der Tablet PCs. Zwar sind die ersten Geräte mittlerweile in den Geschäften angekommen – spezielle Software gibt es aber so gut wie keine. Nun sollte man denken, dass dies kein großes Problem darstellt … schließlich läuft auf den Geräten eine spezielle Windows XP-Version. Wenn man aber einmal versucht, die üblichen Windows-Programme mit dem Stift zu bedienen, wird man schnell die Tücken des Pencomputings zu spüren bekommen: Ein Stift hat eigentlich keine Maustasten – schon gar keine rechte. Und auch die Tastatur als Eingabegerät wird man rasch schmerzlich vermissen. Zwar bietet der Tablet PC (wie die meisten PDAs) auch eine virtuelle Tastatur, aber die muss man mit dem Stift bedienen – der Screen ist nämlich bei den Tablet PCs, die ich testen konnte, nicht druckempfindlich. Vielmehr wird ein induktives System verwendet, das man vielleicht von den Wacom-Tabletts kennt. Alternativ kann man allerdings auch mit dem Stift auf das Display schreiben und kritzeln. Diese Eingaben werden als „digitale Tinte“ gespeichert und können auch durch einen Erkenner geschickt werden, der dann die einzelnen Buchstaben umwandeln soll. Bei mir tat er das mit eher mäßigem Erfolg, bei anderen klappte das recht gut. Ähnlich der Entwicklung bei den PDAs kommen auch viele Tablet PCs mit einer WLAN-Anbindung … oder zumindest kann man eine PC-Card einstecken. Bluetooth- oder GSM-Anbindung „von Haus aus“ habe ich allerdings bei keinem Gerät gesehen.
Interessant war, dass die meisten, mit denen ich gesprochen habe, die Tablet PCs als (noch) nicht geeignet für den Consumermarkt sehen. Und die genannten Gründe waren vielfältig. So sind die Akkulaufzeiten ziemlich bescheiden: 2 bis 3 Stunden unter Last sind zumeist möglich, nur bei Transmeta zeigte man ein Modell, das (angeblich) 8 Stunden durchhalten soll. So lange konnte ich allerdings nicht bleiben. Nächster Kritikpunkt war der Formfaktor: Die Tablet PCs sind etwas größer als ein DIN-A4-Schreibblock und so dick wie ein normales Notebook. Dabei fehlt die Tastatur, das Diskettenlaufwerk (was man allerdings eh nicht mehr braucht) und das CDROM/DVD-Laufwerk. Gewicht typischerweise bei 1,5 kg, Auflösung 1024×768 (wobei sowohl im Portrait- als auch im Landscape-Format gearbeitet werden kann). Das alles ist vielen dann doch zu groß und immer wieder hörte ich Aussagen: Warum sollte ich da meinen PDA zuhause lassen und auch noch 2000 bis 2500$ ausgeben? Wieder andere bemängelten, dass die Auflösung nicht ausreiche, um zwei DIN-A4-Seiten gleichzeitig auf dem Bildschirm zu bearbeiten – genau das sei aber nötig, wenn man sinnvoll mit einem Tablet PC arbeiten und Anmerkungen und Umstellungen in Texten machen wolle. Und dann ist da eben auch noch das mangelnde Software-Angebot. Franklin Covey hat zwar auf der Messe eine Software vorgestellt, die einem klassischen Papier-Organizer nachempfunden ist und unterschiedliche Views ermöglicht, die sogar für verschiedene Zeitplansysteme passend ausgedruckt werden kann. Aber so etwas ist eben nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
In der bisherigen Form werden sich die Tablet PCs vor allem für Nischenmärkte eignen: Anwendungen im Krankenhaus kommen einem da ebenso in den Sinn wie die Inventur, Werkstattinformationssysteme oder der Bereich Außendienst. Trotzdem war das Konzept der große Gewinner bei den „Best of Comdex“-Auszeichnungen: Sowohl das System also auch ein so genannter Convertible und eine speziell für Tablet PCs geschriebene Grafiksoftware von Corel wurden ausgezeichnet.
Die Convertibles sind dann auch die Geräte, denen ich die größten Chancen einräume: Eine Kreuzung zwischen reinem Tablet PC und Notebook, die eine Tastatur besitzen und so wie ein ganz normales Notebook verwendet werden können, die aber durch einen geschickten Dreh-Klapp-Mechanismus zum Tablet PC werden, wobei die Tastatur unter dem Display verschwindet. Verschiedene große Hersteller haben solche Systeme vorgestellt, die in Kürze auch nach Deutschland kommen sollen.
Eine weitere Variante der Stift-Computer sind die Ultra-Portable-PCs. Mehrere Geräte waren zu sehen, die es aber zumeist noch nicht zur Marktreife gebracht haben. Die Idee ist ein Gerät, das nur unwesentlich größer ist als ein PDA, aber ein komplettes Windows XP-System enthält inklusive 20 bis 40 GB Festplatte. Manche Studien gehen sogar so weit, dass der eigentliche PC nur ein Modul ist, das in eine Hülle mit berührungsempfindlichem Display und Akku gesteckt wird, um mobil damit zu arbeiten. Zu Hause oder im Büro angekommen nimmt man dieses Modul heraus und steckt es in eine Docking-Station, an der ein normal großer Bildschirm, Maus, Tastatur und sonstige Peripherie angeschlossen sind. So kann man seine Daten, ja: seinen ganzen PC, ständig in der Jackettasche mit sich herumtragen. Warten wir ab, wie viele dieser Geräte wirklich die Ladentheke erreichen.